St. Gallen – Mit dem Nein zur sogenannten No-Billag-Initiative haben die Schweizer Stimmbürger mit überwältigendem Mehr grundsätzlich Ja gesagt zur SRG. Aber: Wieviel sind wir in der Deutschschweiz eigentlich bereit, für die Inhalte der beiden TV-Sender SRF1 und SRF2 zu bezahlen? Welche Inhalte erwarten wir von einem gebührenfinanzierten Fernsehen? Worauf könnten wir allenfalls verzichten? Und welche Gebührenreduktion würden wir dafür erwarten? Diese Fragen beantwortet eine aktuelle Pilotstudie des Instituts für Systemisches Management und Public Governance der Universität St.Gallen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Der «faire» Preis für das gegenwärtige TV-Gesamtprogramm liegt – so die Studie – zwischen 240 und 250 Franken, ein gerade noch akzeptabler Preis zwischen 300 und 310 Schweizer Franken. Alles, was über 400 Franken läge, wäre klar zu teuer. Die derzeit gültigen Billag-Gebühren – ausschliesslich für den Fernsehempfang – in Höhe von 286 Franken liegen also bereits sehr nahe an der gerade noch akzeptablen Preisschwelle. Die Gebühren für Radio- und Fernsehempfang belaufen sich derzeit auf total 451.10 Franken, davon 165 Franken für den Radioempfang und 286.10 Franken für den Fernsehempfang. Ab 2019 soll die Gesamtgebühr noch 365 Franken betragen.
DOK und Reporter sind beliebt, Talkshows weniger
Bei den Sendeinhalten zeigt sich, dass auch in Zukunft verschiedene Formate für die Mehrheit der Befragten unverzichtbar sind bzw. nicht abgebaut werden können, ohne eine grosse Unzufriedenheit hervorzurufen. Dazu gehören nicht nur Nachrichtensendungen zur Hauptsendezeit und Dokumentationen (SRF DOK, SRF Reporter) sowie Schweizer Filme und Serien, sondern auch die Übertragung von Sportanlässen, insbesondere solchen in der Schweiz oder mit Schweizer Beteiligung.
Verzichtbare Sendegefässe
Dagegen könnte auf eine Reihe von Sendegefässen verzichtet werden, ohne dass in grossem Stil Unzufriedenheit entstehen würde. Hierzu gehören vor allem Formate anderer Medienhäuser, News über Prominente, Club-Sendungen, Talkshows und Musiksendungen. Auch Sternstunden, Kulturmagazine, Comedy- und Quizsendungen sowie ausländische Serien gehören laut der Studie zu den gegebenenfalls verzichtbaren Sendegefässen.
Meteo ein umstrittenes Sendegefäss?
Ein weiteres Ergebnis der Befragung zeigt, dass manche Sendegefässe und deren Verbleib im Programm des Schweizer Fernsehens SRF 1 und SRF2 umstritten sind. Dazu gehören beispielsweise Meteo oder Serien wie Jobtausch sowie ausländische Filme, Krimis und auch Kindersendungen.
Ein «fairer» Preis für ein entsprechend den Einschätzungen der Befragten abgespecktes Programm läge laut den Studienergebnissen bei 185 bis 200 Franken (also rund 80 Franken tiefer als die gegenwärtigen Gebühren ausschliesslich fürs Fernsehen), ein gerade noch akzeptabler Preis zwischen 244 und 247 Franken. Alles, was über 327 Franken läge, wäre deutlich zu teuer. Die Gebühren nach der bevorstehenden Senkung im 2019 kommen also dem fairen Preis nahe.
Aus der Studie geht hervor, dass die Befragten klare Vorstellungen haben, welche Sendegefässe weshalb in ein Gesamtprogramm einfliessen sollten und welche nicht. Hierbei zeigt sich, dass z.B. Nachrichten zur Hauptsendezeit oder auch Spezial-Nachrichtensendungen nicht Zufriedenheit stiften, sondern nur Unzufriedenheit zu verhindern vermögen («Must-haves»). Einige wenige Sendegefässe (z.B. Comedy) können dagegen derart charakterisiert werden, dass ihr Vorhandensein Zufriedenheit generiert, ohne dass deren Abschaffung Unzufriedenheit zur Folge hätte («Nice-to-haves»).
Persönliche Wünsche versus Service Public
Wie die Studienautoren Christian Laesser und Kuno Schedler vom Institut für Systemisches Management und Public Governance (IMP-HSG) allerdings betonen, darf die Frage, was die Zuschauer wollen, lediglich zum Teil mit der Frage verbunden werden, welche Aufgaben oder Programmgefässe durch den Staat oder gemeinschaftlich in Sachen Gestaltung eines Service-Public-TV alimentiert werden sollten. Es wird hier gleichermassen zahlreiche Schnittmengen, aber auch Gegensätze geben.
Schnittmengen könnten zum Beispiel Nachrichten zur Erfüllung des Informationsauftrags oder Sportübertragungen und Schweizer Serien- oder Filmproduktionen zur Unterstützung der nationalen Kohäsion in einem multikulturellen Land sein. Die Unterstützung der Inklusion von Hör- und Sehbehinderten beispielsweise kann dagegen weniger mit eigenen Programmen erfolgen; hier braucht es vielmehr gemeinschaftlich finanzierte und programmübergreifende technische Massnahmen.
Wie die Resultate der Studie zeigen, bergen viele der unverzichtbaren Sendegefässe das zuvor beschriebene Schnittmengen-Potenzial. Es bleibt sodann «nur noch» ein letztes, aber doppeltes Optimierungsproblem: Welche Sendegefässe genau und insbesondere auch welche dazugehörenden Produktionsprozesse sollen in Zukunft mit welcher Höhe von Gebühren oder einer anderen öffentlichen/gemeinschaftlichen Finanzierung (bspw. öffentlich ausgeschriebene Leistungs-vereinbarungen) finanziert werden? Die vorliegende Studie liefert erste Antworten auf diese Fragen. (Universität St. Gallen/mc/pg)
Für die Studie wurden zwischen dem 29. Januar und 14. Februar 2018 1000 Probandinnen und Probanden online befragt. Diese wurden repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung der Schweiz ausgesucht. Mittels eines wissenschaftlich etablierten Verfahrens wurde mit ihnen die Zufriedenheitspositionierungen und Zahlungsbereitschaften für insgesamt 32 Sendegefässe auf den beiden Deutschschweizer Fernsehsendern SRF1 und SRF 2 eruiert.
Spielraum der Sendegefässe gemäss Umfrage
Unverzichtbare Sendegefässe (Rangliste der Top 10):
- Nachrichten zur Hauptsendezeit, bspw. Schweiz Aktuell, Tagesschau Hauptausgabe, 10vor10
- Dokumentationen, bspw. SRF DOK, SRF Reporter
- Schweizer Filme, inkl. Eigenproduktionen, bspw. Der Verdingbub, Die Herbstzeitlosen
- Natur- und Technikmagazine, bspw. Einstein, Netz Natur
- Konsumentenmagazine, bspw. Kassensturz
- Spezial-Nachrichtensendungen, bspw. Tagesschau Spezial, SRF Abstimmungen
- Übertragung von internationalen Gross-Sportanlässen, unabhängig ob sie in der Schweiz/ mit Schweizer Beteiligung stattfinden, bspw. Fussball-WM, Olympia
- Übertragung von Sportanlässen mit Schweizer Beteiligung (Sportlerinnen und Sportler), welche im Ausland stattfinden
- Übertragung von Sportanlässen, welche in der Schweiz stattfinden
- Schweizer Krimis und Serien, inkl. Eigenproduktionen, bspw. Wilder, Schweizer Tatort, Der Bestatter
Verzichtbare Sendegefässe (Rangliste der Bottom 10):
- Fenster anderer Medienhäuser, bspw. Basler-/ Bilanz-/ NZZ-/ Südostschweiz-Standpunkte
- Aktuelle Geschichten und News über Prominente, bspw. Glanz und Gloria
- Club-Sendungen, bspw. Club, Medienclub, Literaturclub
- Talkshows, bspw. Aeschbacher, Schawinski
- Musik (Aufzeichnungen und Live), bspw. Eurovision Song Contest, Basel Tatoo, Potzmusig
- Sternstunden, bspw. Sternstunde Philosophie, Religion, Kunst, Musik
- Kulturmagazine, bspw. Kulturplatz
- Comedy, bspw. Late Night Shows, Comedy aus dem Labor, Arosa Humorfestival
- Quiz und Wettbewerb, bspw. 1 gegen 100, Top Secret, Donnschtig-/Samschtigjass
- Ausländische Serien, bspw. Chicago Fire, Greys Anatomy, Sitcoms
Zu diskutierende Sendegefässe:
- Kurz-Spezialinformationen vor und nach der Tagesschau Hauptausgabe, bspw. SRF Börse, Meteo
- Dok-Serien, bspw. Auf und Davon, Jobtausch, Die Brokiprofis
- Ausländische Filme, bspw. Hollywood-Produktionen
- Sportmagazine, bspw. Sportpanorama, Sport Aktuell
- SRF bi de Lüt, bspw. Familiengeschichten, Dorfgeschichten
- Wirtschafts- und Politmagazine, bspw. Rundschau, ECO, Rundschau Talk, ECO Talk
- Gesundheitsmagazine, bspw. Puls
- Polit-Diskussionen, bspw. Arena
- Krimi, bspw. Tatort, Ein Fall für Zwei, Der Kriminalist
- Nachrichten ausserhalb der Hauptsendezeit, bspw. Tagesschau am Mittag, Tagesschau Spätausgabe
- Sendungen für Kinder, bspw. Guetnachtgschichtli, Oli Mega Vlog, SRF mySchool