Bern – Wäre bereits am 4. August über die BVG-Reform abgestimmt worden, hätte die Vorlage lediglich eine relative Mehrheit gefunden. Die Biodiversitätsinitiative wäre knapp angenommen worden. Dies ist das Ergebnis der ersten Umfrage im Auftrag der SRG zu den Abstimmungen vom 22. September.
Anfang August hätten gemäss der am Freitag veröffentlichten Erhebung des Forschungsinstituts GFS Bern 49 Prozent der Befragten der BVG-Reform bestimmt oder eher zugestimmt. 39 Prozent hätten bestimmt oder eher ein Nein in die Urne gelegt. 12 Prozent sagten, sie seien noch unentschlossen.
Verschiebungen zu erwarten
Insgesamt sei die Meinungsbildung nicht sehr weit fortgeschritten, schrieben die Autorinnen und Autoren der Studie. Im Laufe der Abstimmungskampagne seien noch Verschiebungen zu erwarten. Eine Prognose wagten sie nicht: Stand heute müsse der Abstimmungsausgang offengelassen werden.
Am höchsten ist die Zustimmung zur BVG-Reform bei den Anhängerschaften von GLP, FDP und Mitte – mit Ja-Anteilen von 70, 68 und 63 Prozent.
Bei den Anhängerinnen und Anhängern der SP überwiegt hingegen das Nein – wenn auch relativ knapp mit 51 Prozent. Im Umfeld der Grünen neigen 42 Prozent zum Ja, 38 Prozent zum Nein. Ein ähnliches Bild zeigt sich an der Basis der SVP: Dort wollen 46 Prozent Ja sagen, 42 Prozent äusserten sich ablehnend. Bei den Parteiungebundenen überwiegt die Zustimmung mit 43 zu 39 Prozent.
An den politischen Polen griffen die Parolen der jeweiligen Parteien nur bedingt, hiess es dazu in der Studie. SP und Grüne lehnen die BVG-Reform ab, während die SVP die Vorlage befürwortet.
Höher als im Durchschnitt ist die Ablehnung der BVG-Reform der Umfrage zufolge in der Romandie sowie bei Personen, die der Regierung misstrauen. Je höher die Schulbildung und das Einkommen einer Person sind, desto eher gibt diese an, Ja stimmen zu wollen.
Sehr unterschiedliche Ergebnisse
Die SRG-Umfrage zur BVG-Reform zeigt eine deutlich bessere Ausgangslage für das Pro-Lager als die am Mittwoch veröffentlichte erste Abstimmungsumfrage von Tamedia und «20 Minuten». In der Erhebung des Instituts Leewas gaben 59 Prozent der Befragten an, sie wollten die Vorlage ablehnen, nur 33 Prozent äusserten sich zustimmend.
Sehr nahe beieinander liegen die beiden Umfragen hingegen, was die Biodiversitätsinitiative angeht: In der SRG-Umfrage sagten 51 Prozent der Befragten, sie wollten das Volksbegehren annehmen. 42 Prozent gaben an, mit Nein stimmen zu wollen. 6 Prozent waren noch unentschlossen.
In der zwei Tage zuvor publizierten Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» waren die entsprechenden Anteile mit 51 Prozent Zustimmung, 42 Prozent Ablehnung und 7 Prozent Unentschiedenen fast exakt gleich hoch.
Skepsis auf dem Land
Gemäss SRG-Umfrage zeigt sich bei der Biodiversitätsinitiative ein Links-Rechts-Konflikt: Bei den Anhängerschaften von Grünen und SP überwiegt demnach die Zustimmung mit Ja-Anteilen von 95 respektive 85 Prozent deutlich. Bei der Basis der GLP sind immerhin noch 67 Prozent der Biodiversitätsinitiative gewogen. Bei der Mitte dominiert das Nein mit 56 Prozent, bei FDP und SVP überwiegt die Ablehnung mit Nein-Anteilen von 71 beziehungsweise 72 Prozent noch klarer.
Deutliche Unterschiede zeigten sich zudem zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Geschlechtern, so die Studienautoren. Während in ländlichen Gebieten das Nein-Lager mit 54 Prozent vorne liegt, findet die Initiative sowohl in kleineren und mittleren als auch in grossen Agglomerationen Mehrheiten. Diese fallen mit 53 respektive 56 Prozent allerdings ebenfalls nicht sehr deutlich aus.
Während 52 Prozent der Männer die Initiative ablehnen und nur 44 ihr zustimmen wollen, liegt bei den Frauen der Ja-Anteil bei 58 Prozent, 35 Prozent wollen ein Nein in die Urne legen.
Betrachtet man die verschiedenen Sprachregionen, ist die Zustimmung mit 57 Prozent in der Romandie klar stärker als in der Deutschschweiz mit 49 Prozent.
Verlauf der Debatte entscheidend
Die Debatte über die Biodiversitätsinitiative sei erst angelaufen, ihr Verlauf werde letztlich über den Ausgang der Abstimmung entscheiden, schrieben die Studienautoren. Gelinge es der Ja-Seite, die Biodiversität als unterschätztes Problem darzustellen, könne sie ihre knappe Mehrheit halten.
Der Normalfall sei jedoch, dass Initiativen im Verlauf des Abstimmungskampfes an Zustimmung verlören, gaben sie zu bedenken. Dies, weil konkrete Auswirkungen in der Diskussion an Gewicht gewinnen würden: «Einen Teil des Vorsprungs hat die Initiative wohl auf dem Land und in der deutschsprachigen Schweiz bereits im Sommer auf diesem Weg verloren.»
Für die SRG-Umfrage befragte GFS Bern telefonisch und online zwischen dem 29. Juli und dem 12. August 2024 12’332 Stimmberechtigte. Der statistische Fehlerbereich beträgt +/-2.8 Prozentpunkte. (awp/mc/pg)