Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bern – Der Bund hat im vergangenen Jahr statt 2 Mrd CHF Defizit einen Überschuss von 3,6 Mrd CHF erzielt. Damit hat die Eidgenossenschaft im 2010 noch besser gewirtschaftet als bei der letzten Prognose vom Januar angenommen. Damals hatte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf einen Überschuss von 3 Mrd CHF in Aussicht gestellt. Nun sind es noch rund 600 Mio CHF mehr, wie das Finanzdepartement am Mittwoch mitteilte.
Insgesamt standen im Jahr 2010 ordentlichen Ausgaben von 59,3 Mrd CHF Einnahmen von 62,8 Mrd CHF gegenüber. Vor allem bei den Einnahmen lag das Budget daneben: Die Erträge liegen 4,6 Mrd CHF über dem Voranschlag. Vor allem die Erträge aus der Verrechnungssteuer fielen deutlich höher aus als angenommen (+1,7 Mrd CHF). Aber auch bei der direkten Bundessteuer nahm die Eidgenossenschaft 1,4 Mrd CHF mehr ein als budgetiert. Gleichzeitig lagen die Ausgaben des Bundes 1 Mrd CHF tiefer als vorausgesehen.
Sparpläne angepasst
Angesichts der deutlich besseren Rechnung und der viel günstigeren Aussichten für die nächsten beiden Jahre, hat der Bundesrat – wie bereits im Januar angekündigt – seine Sparpläne revidiert. Er will im Rahmen des etwa 1,5 Mrd CHF schweren Konsolidierungsprogramms 2012/2013 vorläufig auf rund 50 kurzfristige Sparmassnahmen im Umfang von 280 Mio CHF verzichten. Festhalten will er aber an den Massnahmen, die er in eigener Regie umsetzen kann. Dies entspricht etwa 85% des Konsolidierungsprogramms. So will der Bundesrat wie versprochen Massnahmen aus den Konjunkturpaketen kompensieren und in der Verwaltung Querschnittskürzungen vornehmen. Ausserdem will er die Finanzplanzahlen wegen der zurzeit tiefen Teuerung gegen unten korrigieren.
Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke
Der Bundesrat hat Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke getroffen. Die Höherbewertung des Frankens werde das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten verlangsamen, heisst es in einer Mitteilung am Mittwoch. Die Wachstumspolitik soll mit verstärktem Nachdruck weitergeführt werden. Für die monetären Massnahmen sei die Schweizerische Nationalbank zuständig. Zu den wirtschaftspolitischen Massnahmen, die die Rahmenbedingungen für die Exportindustrie verbessern sollen, zählen Freihandelsabkommen mit dynamischen Schwellenländern.
Mittelerhöhung zugunsten der touristischen Landeswerbung
Konkret soll es eine Mittelerhöhung zugunsten der touristischen Landeswerbung geben. Für 2011 und 2012 sollen zusätzliche Mittel von je 12 Mio CHF zur Verfügung gestellt werden. Mit zusätzlichen Mitteln von insgesamt 20 Mio CHF für die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) für 2011 und 2012 sollen bestehende Förderinstrumente dotiert werden. Ferner sollen Massnahmen im Bereich der Schweizerischen Exportrisikoversicherung getroffen, eine Überprüfung der Weitergabe von Wechselkursgewinnen bei den Importen von Vorleistungen überprüft und die Situation der Unternehmensfinanzierung beobachtet werden. Grundsätzlich liege es aber in der Eigenverantwortung der Unternehmen, sich den Schwankungen des Frankenkurses zu stellen.
Bei Finanzkrisen rascher reagieren
Der Bundesrat will sein Krisenmanagement verbessern. Er reagiert damit auf die Kritik der Geschäftsprüfungskommissionen am Umgang mit der Finanzkrise. Unter anderem soll das Finanzdepartement enger mit der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht zusammenarbeiten. Im Januar unterzeichneten die drei Behörden ein entsprechendes Memorandum of Understanding, wie der Bundesrat am Mittwoch mitteilte. Die gesetzlich festgelegten Kompetenzen von Finanzdepartement (EFD), Nationalbank (SNB) und Finanzmarktaufsicht (FINMA) würden dadurch nicht verändert, schreibt die Bundeskanzlei.
Konzept verabschiedet
Der Bundesrat hat auch ein Konzept für den Umgang mit Finanzkrisen verabschiedet. Im Fall einer drohenden Finanzkrise sollen künftig SNB und FINMA den Ausschuss Finanzkrisen einberufen müssen. Dieser nimmt laufend Lagebeurteilungen vor und informiert das Lenkungsgremium unter der Leitung der Finanzministerin oder des Finanzministers. Die Finanzministerin informiert gemäss dem Konzept den Bundesrat frühzeitig, spätestens jedoch dann, wenn das Lenkungsgremium zum Schluss kommt, dass ausserordentliche Massnahmen der Behörden notwendig sein könnten. Ab diesem Zeitpunkt wird der Bundesrat regelmässig und wenn möglich schriftlich über die weiteren Entwicklungen informiert.
Technische Infrastruktur ausbauen
Zur Verbesserung des Krisenmanagements will der Bundesrat die technische Infrastruktur für die Geschäftskontrolle ausbauen. Dies soll bis Ende Jahr erfolgen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Bundesrat ein Konzept zur Optimierung der Aufzeichnungen seiner Beschlüsse und Beratungen genehmigt. Seit Anfang Jahr werde nun bei Bundesratssitzungen ein «erweitertes Beschlussprotokoll» geführt, heisst es in der Mitteilung.
«Erweitertes Beschlussprotokoll»
Die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments (GPK) hatten Wortprotokolle gefordert, weil der Bundesrat während der UBS-Affäre aus Angst vor Indiskretionen zeitweise auf die Protokollierung der Sitzungen verzichtet hatte. Davon wollte der Bundesrat aber nichts wissen. Die GPK werfen dem Bundesrat generell vor, in der Bewältigung der Finanzkrise und der UBS-Affäre versagt zu haben. Letzten Frühling präsentierten sie einen Bericht mit scharfer Kritik sowie zahlreichen Empfehlungen und Forderungen. Dem damaligen Finanzminister Hans-Rudolf Merz warfen sie vor, den Bundesrat zu spät einbezogen zu haben. (awp/mc/ss)