Bussnang – Der Zugbauer Stadler hat im letzten Jahr einen Wachstumssprung gemacht. Beim Abarbeiten der Aufträge war das Thurgauer Unternehmen aber nicht so effizient wie erhofft. Und Besserung ist vorerst nicht in Sicht.
Von solchen Rekordergebnissen können die meisten Unternehmen nur träumen. 444 neue Züge und Lokomotiven verliessen im letzten Jahr die Stadler-Fabriken. Im Vorjahr waren es gerade einmal 245 gewesen. Der Umsatz stieg dadurch um satte 60 Prozent auf 3,2 Milliarden Franken.
Mit anderen Worten: Das Thurgauer Vorzeigeunternehmen setzte die lange Erfolgsgeschichte fort, die Ende der Achtziger Jahre mit dem Einstieg von Peter Spuhler begonnen hatte. Damals beschäftigte das Unternehmen 18 Personen, aktuell sind es knapp 11’000.
Gewinn nur leicht höher
Und doch lief das Jahr 2019 nicht so gut wie ursprünglich erhofft. Das Unternehmen verpasste die selber gesteckten Ziele. Das galt insbesondere für den operativen Gewinn (EBIT), der nur um 28 Prozent auf 193,7 Millionen zulegte und damit deutlich weniger als der Umsatz. Die entsprechende Marge sank damit auf 6,1 von 7,5 Prozent. Zum Vergleich: Mittelfristig peilt die Gesellschaft einen Wert von 8 bis 9 Prozent an. Unter dem Strich nahm der Konzerngewinn sogar nur um 8 Prozent auf 128,5 Millionen Franken zu.
Wachstum schwieriger zu bewältigen als erwartet
«Das Jahr 2019 war ein gutes Jahr, aber nicht ein derart gutes wie erhofft», räumte Konzernchef Thomas Ahlburg ein. Er begründete die abnehmende Profitabilität mit dem starken Wachstum, welches schwieriger zu bewältigen gewesen sei als erwartet. So nahmen die Herstellungskosten deutlich stärker zu als der Umsatz. Es habe Ineffizienzen gegeben, nicht zuletzt wegen des raschen Personalaufbaus, sagte der Firmenchef dazu. Stadler beschäftigte 2019 knapp ein Viertel mehr Leute als im Vorjahr.
Dazu seien Schwierigkeiten bei einem Grossauftrag in Grossbritannien (Greater Anglia) gekommen. Stadler liefert dem englischen Bahnunternehmen insgesamt 58 Züge des Typs «Flirt», wobei es bekanntlich zu Verzögerungen kam. Einerseits habe das Kamerasystem eines britischen Zulieferers nicht den Erwartungen entsprochen; andererseits sei die Infrastruktur in der Einsatzregion in die Jahre gekommen, was bei der Inbetriebnahme zu Störungen geführt habe.
Vorsichtiger Ausblick
Für das laufende Jahr 2020 ist die Chefetage nun etwas zurückhaltender. Nachdem noch im Januar ein Umsatz von 4 Milliarden angepeilt wurde, sind es nun nur noch 3,5 Milliarden. Der Hauptgrund dafür sei, dass ein Projekt verschoben worden sei.
Und bei der Profitabilität zeichnet sich keine rasche Besserung ab. Es wird eine Marge von «mindestens 6 Prozent» angepeilt und damit ein Wert auf Vorjahreshöhe. Dieses Ziel enthalte «Elemente der Vorsicht», räumte CEO Ahlburg ein und verwies nicht zuletzt auf die Ungewissheit wegen des Coronavirus.
Keine Sorgen macht sich das Unternehmen aber, was die Nachfrage angeht. In der Bahnindustrie gebe es keine Anzeichen für eine Abkühlung, hiess es. Auch die geplante Übernahme der Bombardier-Zugsparte durch den französischen Alstom-Konzern ist für die Stadler-Chefs kein Horrorszenario.
Denn Alstom und Bombardier seien eher auf grosse Aufträge spezialisiert, Stadler eher auf kleinere. Der Firmenchef unterstrich ausserdem sein grundsätzliches Interesse, sollten Teile von Alstom oder Bombardier aus wettbewerbsrechtlichen Gründen veräussert werden müssen.
Dividende soll nicht sinken
Obwohl die Stadler-Erfolgsgeschichte 2019 einige Kratzer bekam, erhalten die Stadler-Aktionäre eine Dividende von 1,20 Franken pro Aktie – was einer Ausschüttungsquote von über 90 Prozent entspricht. Diese Dividende sei beim Börsengang im letzten Frühjahr versprochen worden, sagte Finanzchef Raphael Widmer. Darüber dürfen sich mehr als 30’000 Aktionäre freuen.
Für das laufende Jahr verspricht das Unternehmen eine Ausschüttung von rund 60 Prozent des Gewinns, womit die Quote deutlich sinkt. Dies bedeute aber nicht, dass sich die Aktionäre auf eine tiefere Dividende einstellen müssen, sagte der Finanzchef gegenüber der Nachrichtenagentur AWP und verwies auf das angepeilte Wachstum und den Auftragsbestand von 15 Milliarden Franken. «Es ist ganz klar unsere Ambition, dass die Dividende nicht sinkt.»
An der Börse überwog trotzdem die Skepsis: Am Donnerstag notierte die Aktie zum Börsenschluss 3,4 Prozent tiefer. (awp/mc/pg)