Bussnang – Der Zugbauer Stadler Rail hat sich im vergangenen Jahr vom Corona-Einbruch erholt und neue Rekorde bei Umsatz, Betriebsgewinn und Aufträgen aufgestellt. Allerdings wird er nun von den Pandemie-Ausläufern wie der hohen Inflation und den extrem steigenden Rohstoffpreisen sowie dem Ukraine-Krieg gebremst.
«Von dem her sehen wir uns nicht in der Lage, die Mittelfristziele schon 2023 zu erreichen. Deshalb haben wir heute angekündigt, diese um ein, maximal zwei Jahre nach hinten zu schieben», sagte Stadler-Patron Peter Spuhler am Dienstag in einem Interview mit AWP-Video. Ursprünglich hätte der Ostschweizer Konzern bereits nächstes Jahr eine Betriebsgewinnmarge (EBIT) von 8 bis 9 Prozent erreichen wollen.
«Die EBIT-Marge hat noch nicht die Flughöhe erreicht, die ich mir vorstelle. Ich habe immer gesagt, wir sollten über 7 Prozent kommen. Wir sind jetzt über 6 Prozent», sagte Spuhler auf der Bilanzmedienkonferenz in Bussnang TG. Die ganzeN Nachpandemie-Auswirkungen wie die Explosion der Rohmaterialpreise oder die hochschiessende Inflation hätten auf die Marge gedrückt.
Dennoch schaffte Stadler einen neuen Rekordbetriebsgewinn von 223,7 Millionen Franken, was 43 Prozent mehr sind als im Jahr davor. Auch der Umsatz kletterte um 18 Prozent auf die neue Bestmarke von 3,6 Milliarden Franken. Dagegen sank der Reingewinn leicht um 3 Prozent auf 134,5 Millionen Franken. Schuld am Rückgang seien vor allem ungünstige Wechselkurse.
Im Strudel des Ukraine-Kriegs
Zudem ist Stadler in den Strudel des Ukraine-Krieges geraten. Das Werk in Weissrussland sei von den EU-Sanktionen betroffen, die am 4. Juni in Kraft treten sollen. Deshalb kann Stadler keine elektronische Komponenten mehr in das Land liefern, das ein Verbündeter Russlands im Krieg gegen die Ukraine ist.
Das betreffe beispielsweise Bauteile von Klimaanlagen, Fahrgastinformationssysteme bis hin zu Stromrichtern und Trafos. Dadurch müsse Stadler jetzt gewisse Komponenten und Montageaktivitäten nach Polen und in die Schweiz verlagern, sagte Spuhler.
Hunderte Stellen gestrichen
Deshalb werde die Produktion in Fanipol, das in der Nähe der Hauptstadt Minsk liegt, weiter zurückgefahren. Derzeit seien von den einst gut 1700 Mitarbeitern noch 1150 übrig, sagte Spuhler. Durch die Verlagerung werde der Personalbestand in den nächsten drei Monaten auf rund 700 bis 800 Angestellte gesenkt.
Das Werk mache weniger als 10 Prozent der gesamten Gruppenkapazität aus. Und vom Rekordauftragsbestand von 17,9 Milliarden seien nur 2 Prozent nach Minsk vergeben, sagte Spuhler.
«Wir rechnen mit Zusatzkosten im tiefen einstelligen Millionenbereich. Das ist absolut verkraftbar», sagte der Stadler-Patron. Eine Schliessung des Werks sei allerdings nicht geplant.
«Es ist eine schwierige Situation. Wir bauen ja nicht Produkte für Oligarchen. Die haben einen alltäglichen Nutzen für die breite Bevölkerung. Aus diesem Grunde habe ich auch kein schlechtes Gewissen, dass wir das tun», sagte Spuhler auf die Kritik, dass Stadler trotzdem am Werk in Weissrussland festhalte.
Stadler habe zur Zeit weder in Russland noch in der Ukraine irgendwelche Aufträge in Arbeit. Auch Investitionen habe man in beiden Ländern keine getätigt, sagte Spuhler.
Neue Rekorde in Sicht
Trotz des Gegenwinds peilt der Konzern im laufenden Jahr einen Umsatz von 3,7 bis 4,0 Milliarden Franken an. Auch beim Auftragseingang könne er sich einen neuen Rekord vorstellen, sagte Spuhler. (awp/mc/ps)