Zuwanderung – ein klares Bedürfnis der Schweizer Wirtschaft.
Bern – Die Zuwanderung der vergangenen Jahre hat sich laut einer Studie für die Schweiz und insbesondere für die Städte gelohnt – vor allem wirtschaftlich. Die Städte befürchten, dass eine rigide Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative Schaden anrichten würde.
«Den Städten bereitet die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative grosse Sorgen», sagte die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch am Donnerstag vor den Medien in Bern. In der Diskussion kämen stets nur die Kosten der Zuwanderung zur Sprache, die Nutzen hingegen würden zu wenig beachtet.
Um die positiven Auswirkungen der Zuwanderung aus EU- und EFTA-Ländern auszuleuchten, haben die zehn grössten Städte beim Büro INFRAS eine Studie in Auftrag gegeben. Diese fasst den derzeitigen Forschungsstand aus der Perspektive der Städte zusammen, die überdurchschnittlich von der Zuwanderung betroffen sind.
Mehr Wachstum, mehr Krisenresistenz
Die Schweizer Wirtschaft sei dank der Zuwanderung von 2002 bis 2008 um rund 3,2% stärker gewachsen, als dies ohne die Personenfreizügigkeit mit der EU der Fall gewesen wäre, heisst es in der Studie. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bezifferte jüngst den Nutzen der Zuwanderung auf eine Summe von mehreren Milliarden Franken pro Jahr. Dank ausländischen Spezialistinnen und Spezialisten hätten sich das Qualifikationsniveau und die Arbeitsproduktivität gesteigert. Dies habe die Konjunktur stabilisiert und die Wirtschaft krisenresistenter gemacht.
Klares Bedürfnis der Wirtschaft
Die Zuwanderung entspreche einem klaren Bedürfnis der Wirtschaft, sagte der St. Galler Stadtpräsident Thomas Scheitlin. «Wir dürfen unsere Unternehmen nicht dadurch schwächen, dass wir ihnen verbieten, die besten Leute zu holen.»
Auch in Basel sei das Thema bei den Gesprächen mit der Wirtschaft ein Dauerbrenner, sagte Guy Morin, Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt. Die zugewanderten Arbeitskräfte verfügen laut Morin über hochspezialisierte Fähigkeiten. Es gebe keine Hinweise darauf, dass einheimische Arbeitskräfte verdrängt würden. Auch die universitäre Forschung sei auf ausländische Talente angewiesen. «Wir haben keine Ressourcen ausser die Innovation», sagte Morin. Die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften sei zudem ein wichtiger Standortfaktor für die Unternehmen.
Angespannter Wohnungsmarkt
Trotz dem Fokus der Studie auf die Nutzen, seien die Nachteile der Zuwanderung nicht ausgeblendet worden, hielten die Redner fest. So habe sich etwa die Lohnentwicklung bei den Hochqualifizierten etwas gedämpft. Zudem sei klar, dass die Zuwanderung zwar die Bautätigkeit anspornt, dies aber auch die Mietpreise in die Höhe treiben könne. Gerade im Grossraum Zürich oder in der Region Genfersee müsse dies im Auge behalten werden, sagte der Genfer Stadtrat Sami Kanaan. Auch bei den Verkehrsinfrastrukturen müsse man am Ball bleiben.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen hätten die Städte die richtigen Instrumente, ergänzte Mauch. «Die Nutzen überwiegen die Herausforderungen.»
Nicht gerechtfertigte Ängste
Der Volksentscheid vom 9. Februar 2014 drückt aus ihrer Sicht Ängste und Vorbehalte gegenüber der Zuwanderung aus, die nicht gerechtfertigt seien. Dennoch sei der Volkswille zu respektieren. Der neue Verfassungsartikel müsse aber so umgesetzt werden, dass die bilateralen Verträge mit der EU nicht aufs Spiel gesetzt würden.
Gut ausgebildet und gut integriert
Die Studie kommt ausserdem zum Schluss, dass sich die Zuwanderung seit Einführung der Personenfreizügigkeit 2002 verändert hat. So kommen seither vor allem junge, gut ausgebildete Menschen in die Schweiz – oft aus einem ähnlichen Kulturkreis, etwa aus Deutschland. Die Zugewanderten sind laut der Auswertung insgesamt gut integriert und oft auch bereit, sich in Vereinen zu engagieren. Die Einwanderer seien auch besser in den Arbeitsmarkt integriert als die bisher ansässige Bevölkerung.
Durch die Verjüngung des Arbeitsmarkts profitieren auch die Sozialwerke. Die Zuwanderer zahlen derzeit mehr in die AHV ein, als sie beziehen, wie aus der Studie hervorgeht. Wenn dies auch nicht die Probleme der Altersvorsorge lösen könne, so verschaffe es Zeit, um die nötigen Reformen aufzugleisen, heisst es weiter.
Zwischen 2000 und 2010 sind 580’000 Personen netto zugewandert. Davon sind 80% in Städte und Agglomerationen gezogen. Allein jeder dritte Zugewanderte lebt in einer der zehn grössten Städte. (awp/mc/pg)