Ständerat weist Erbschaftssteuer-Abkommen mit Frankreich zurück
In der Schweiz nicht auf offene Ohren gestossen: Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici.
Bern – Das neue Erbschaftssteuerabkommen mit Frankreich ist im Parlament durchgefallen. Der Ständerat hat am Dienstag beschlossen, es zurückzuweisen. Er will den Bundesrat beauftragen, mit Frankreich neu zu verhandeln.
Das vorliegende Abkommen ist damit gescheitert. Offen ist nur noch, ob die Räte den Bundesrat mit Neuverhandlungen beauftragen oder nicht. Der Nationalrat hatte ohne Auftrag Nein gesagt. Er ist gar nicht erst auf das Geschäft eingetreten. Nun muss er erneut entscheiden.
Allerdings scheinen die Chancen für ein anderes Abkommen ohnehin gering zu sein. Frankreich lehnt neue Verhandlungen ab, wie der französische Finanzminister Pierre Moscovici jüngst bei seinem Besuch in Bern deutlich machte.
Signal an Frankreich
Die Mehrheit im Ständerat war dennoch der Meinung, der Bundesrat sollte es versuchen. Mit 35 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltungen sprach sich der Rat dafür aus, das Abkommen mit Verhandlungsauftrag an den Bundesrat zurückzuweisen.
Damit gäbe das Parlament der Diplomatie eine weitere Chance, sagte Thomas Minder (parteilos/SH). Wenn man Interviews mit Moscovici lese, erhalte man den Eindruck, die Türen seien nicht gänzlich verschlossen. Die Rückweisung wäre ausserdem ein Signal an Frankreich, in anderen Dossiers Hand für Lösungen zu bieten.
Mit Kündigung gedroht
Das neue Erbschaftssteuerabkommen war in der Schweiz von Beginn weg umstritten. Der Bundesrat liess sich zum einen darauf ein, weil Frankreich damit gedroht hatte, das alte Abkommen zu kündigen. Zum anderen erhoffte sich Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, dass dies einen Durchbruch in anderen Differenzen mit Frankreich bringen könnte.
Mit dem revidierten Erbschaftssteuerabkommen würden die französischen Behörden neu die Möglichkeit erhalten, Erben in Frankreich auch dann nach französischem Recht zu besteuern, wenn der Verstorbene zuletzt in der Schweiz gelebt hat. Frankreich könnte also Immobilien in der Schweiz besteuern.
Schweiz kapituliert
Vor allem in der Westschweiz stiess der Vertrag auf grossen Widerstand. Befürchtet wird, dass reiche Franzosen wegziehen könnten. Im Parlament wurden aber auch grundsätzliche Bedenken geäussert. Das Abkommen beschneide die Schweizer Steuerhoheit, hiess es. Andere Länder könnten ähnliche Forderungen stellen. «Lieber kein Abkommen als ein solches», sagten viele.
Es sei nur schwer nachvollziehbar, wie der Bund ein solches Abkommen habe unterzeichnen können, sagte Martin Schmid (FDP/GR). «Das Abkommen bringt einzig den Franzosen Vorteile.» Raphaël Comte (FDP/NE) sprach von einer «Kapitulation».
Steuerumgehungsvehikel
Widmer-Schlumpf versuchte vergeblich, den Rat vom Gegenteil zu überzeugen. Sie müsse einen Irrtum korrigieren, sagte sie. Es sei nicht so, dass Frankreich dieses Abkommen gewollt habe. Frankreich habe das alte Abkommen von 1953 ersatzlos kündigen wollen. Aus Sicht von Frankreich brauche es nämlich kein Abkommen, um Doppelbesteuerung zu verhindern. Aus Sicht der Schweiz dagegen schon.
Die Schweiz habe deshalb versucht, das alte Abkommen zu verbessern. Dieses beinhalte nämlich «Steuerumgehungsvehikel». Dass Frankreich das nicht mehr akzeptiere, sei verständlich. Das neue Abkommen sei zwar nicht so gut für das alte. Aber der Bundesrat sei klar der Auffassung, dass es besser sei als kein Abkommen.
Drohende Doppelbesteuerung
Ein vertragsloser Zustand würde laut Widmer-Schlumpf in manchen Fällen zu einer Doppelbesteuerung führen. Es würde auch kein Schiedsverfahren mehr geben. Die Nachteile des neuen Abkommens relativierte die Finanzministerin.
Und zum Auftrag für Neuverhandlungen sagte sie: «Hoffnung kann man immer haben.» Frankreich habe aber klar gesagt, dass es keine Neuverhandlungen geben werde. «Hin und wieder muss man in der Politik auch von der Realität ausgehen.»
Kein Imperialismus
Moscovici hatte anlässlich seines Besuchs in Bern festgestellt, der Text des Abkommens sei der Schweiz nicht aufgezwungen worden. Der Vorwurf des französischen Imperialismus treffe nicht zu. Differenzen haben die Schweiz und Frankreich auch in anderen Steuerdossier. Sie führen deshalb einen «Steuerdialog», der jedoch bisher kaum zu Fortschritten geführt hat.
So ist keine Lösung für die Regularisierung der französischen Schwarzgelder auf Schweizer Konten in Sicht. Verhärtet sind die Fronten ausserdem bei der Pauschalbesteuerung. Frankreich hatte vor rund zwei Jahren angekündigt, den Wohnsitz von in der Schweiz Pauschalbesteuerten nicht mehr zu akzeptieren. Weitere Streitpunkte betreffen die Grenzgängerbesteuerung und Steuerfragen rund um den binationalen Flughafen Basel-Mühlhausen. (awp/mc/ps)