Stephan Schmidheiny in Eternit-Prozess zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt
Strafe um zwei Jahre Gefängnis erhöht: Stephan Schmidheiny.
Turin – Der Schweizer Unternehmer Stephan Schmidheiny ist in einem Turiner Berufungsprozess um den Asbest-Tod von zahlreichen Menschen zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Das Berufungsgericht erhöhte mit seinem Urteil vom Montag das Strafmass der ersten Instanz um zwei Jahre. Die Verteidigung will das Urteil weiterziehen.
Im Verfahren gegen den früheren Miteigentümer der italienischen Eternit-Gruppe war Schmidheiny als verantwortlich für nahezu 3000 tote oder erkrankte Arbeiter und Anwohner angesehen worden. Nach Überzeugung des Gerichts missachtete der ehemalige Industrielle Sicherheitsmassnahmen für den Umgang mit dem hochgiftigen Asbest in seinerzeit vier italienischen Eternit-Fabriken und verursachte damit eine Katastrophe.
Hoher Schadensersatz
Auch der belgische Baron Louis de Cartier war wegen der asbestbedingten Todesfälle und der Umweltfolgen nahe der italienischen Eternit-Werke als Mitbesitzer verurteilt worden. Er starb jedoch während des Berufungsprozesses. Das Verfahren gegen ihn wurde am Montag eingestellt.
Zu der Haftstrafe gegen Schmidheiny kommen noch hohe Schadensersatzzahlungen. Das Turiner Berufungsgericht billigte der von besonders vielen Asbest-Fällen betroffenen Kommune Casale Monferrato bei Alessandria 30,9 Millionen Euro Entschädigung zu, der als Nebenklägerin aufgetretenen Region Piemont 20 Millionen Euro, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Die Richter sahen Schmidheiny auch als verantwortlich für Asbestschäden in Bagnoli und Rubiera an.
Verteidigung kündigt Berufung an
Die Verteidigung Schmidheinys zieht das Urteil an den Kassationshof in Rom, die höchste Instanz Italiens, weiter. Dies kündigte sein Sprecher Peter Schürmann am Montag in einer Medienmitteilung an.
Die Verteidigung von Schmidheiny bezeichnete das Urteil der zweiten Instanz als absurd, unfair und politisch motiviert. Justiz, Opfervertreter und Medien hätten in einer jahrelangen Kampagne die Verantwortung für die Asbesttragödie auf Schmidheiny und den kürzlich verstorbenen Mitangeklagten Louis de Cartier reduziert und deren Schuld von Anfang an als erwiesen erachtet, heisst es im Communiqué.
Wie in der ersten Instanz habe das Gericht die Unschuldsvermutung verletzt und entlastende Beweise der Verteidigung missachtet. Deshalb werde die Verteidigung das Urteil an die höchste Instanz weiterziehen.
Gefährliches Asbest
Die italienische Niederlassung von Eternit ging 1986 Pleite – sechs Jahre, bevor Asbest in Italien verboten wurde. Wegen seiner hohen Hitze- und Feuerbeständigkeit und guten Isolationseigenschaften wurde vor allem Asbestzement lange in der Bauindustrie eingesetzt.
Das Einatmen von Asbestpartikeln kann Lungenkrebs auslösen. Die Symptome können noch nach 20 Jahren auftreten. 2005 wurde Asbest in Europa verboten, doch in Entwicklungsländern findet es weiterhin Verwendung. (awp/mc/upd/ps)