In Italien angeklagt: Stephan Schmidheiny.
Bern – Stephan Schmidheiny sieht dem abschliessenden Gerichtsurteil im Asbest-Fall in Italien gelassen entgegen. «Es gab Zeiten, in denen mich das sehr mitgenommen hat. Aber zu Beginn des zweitinstanzlichen Prozesses ist mir die Absurdität klar geworden», sagt er im Interview mit der «NZZ am Sonntag».
«Der Richter hat mich mit Hitler verglichen und mein Handeln mit der Endlösung der Judenfrage. Da wusste ich, mit diesem System kann ich nichts anfangen», sagt Schmidheiny in der «NZZ am Sonntag».
Stephan Schmidheiny wurde als früherer Mitbesitzer der Eternit S.p.A (Genua) wegen des Asbest-Todes von zahlreichen Menschen zu 18 Jahren Haft verurteilt. Die Verteidigung hat das Urteil an den Kassationshof in Rom, die höchste Instanz Italiens, weitergezogen. Sie bezeichnete Schmidheiny als «Pionier beim Ausstieg aus der Asbestverarbeitung».
«Das Beste, was ich als Unternehmer gemacht habe»
«Für mich ist, was ich damals gemacht habe, immer noch das Beste, was ich als Unternehmer gemacht habe», sagt Schmidheiny selbst auch in der «NZZ am Sonntag». «Nämlich frühzeitig aus der Asbestverarbeitung auszusteigen trotz grosser Unsicherheit. Es ist sehr einfach, heute zu sagen, man wusste damals, Anfang der Siebzigerjahre, schon alles über die Gesundheitsrisiken. Man wusste gar nichts», so Schmidheiny.
Es hätte einzelne kontroverse Theorien gegeben von Ärzten. «Trotzdem habe ich den Ausstieg beschlossen und umgesetzt, lange bevor die Asbestverarbeitung verboten wurde», sagt er weiter.
Schmidheiny (Jahrgang 1947), heute Philanthrop und als solcher Präsident der Avina-Stiftung, spricht im Interview auch über sehr Persönliches. So habe er nach einem Aorta-Riss vor sechs Jahren neu gelernt zu leben. «Seither habe ich mich mehr und mehr distanziert vom aktuellen Zeitgeschehen», sagt er. «Das ist genau das, was ich möchte. Gelassenheit, Distanz zu vielem, auch zu der Welt», so Stephan Schmidheiny.
Meditation und Kultur
Er sei Pensionist, Alltag gebe es in dem Sinne nicht. «Ein normaler Tag fängt damit an, dass ich mit meiner Frau zusammen eine halbe Stunde bis eine Stunde meditiere. Dann ist Bewegung angesagt, so weit das noch geht mit meiner Hüfte, viel lesen und Kultur.»
Von der geplanten Fusion zwischen der französischen Lafarge und Holcim, dem Zementkonzern seines Bruders Thomas, habe er aus der Zeitung erfahren. «Ich bin ja an diesem Zusammengehen weder beteiligt noch betroffen», sagt er. Die Brüder hätten ein gutes, friedliches Verhältnis. «Aber wir haben eigentlich wenig Kontakt.» Sie seien seit je eigene Wege gegangen, auch geschäftlich, was «rückblickend sicher gut war», so Schmidheiny. (awp/mc/ps)