Staatssekretär Michael Ambühl, Leiter Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF).
Bern – Ab dem kommenden 1. Februar können ausländische Staaten per Amtshilfe Gruppenanfragen in Steuerfällen an die Schweiz richten. Das neue Steueramtshilfegesetz tritt auf diesen Zeitpunkt in Kraft, da die Referendumsfrist ungenutzt verstrichen ist. Der Bundesrat beschloss am vergangenen Mittwoch, den Erlass auf den 1. Februar in Kraft zu setzen, wie das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) am Freitag mitteilte. Das Gesetz dient hauptsächlich der Umsetzung der Doppelbesteuerungsabkommen, in denen die Schweiz den OECD-Standard umsetzt.
Die Schweiz musste dabei namentlich Gruppenersuchen zulassen, bei denen die Identität des einzelnen Steuersünders nicht bekannt ist. Stattdessen können die ausländischen Steuerbehörden Verhaltensmuster beschreiben, um die Betroffenen zu identifizieren.
Verhaltensmuster statt Identifikation
Die beschriebenen Verhaltensmuster müssen darauf hinweisen, dass die Betroffenen gesetzeswidrig gehandelt haben. Indizien könnten sein, dass ein Bankkunde sich Bankpapiere postlagernd zuschicken lässt oder Formulare nicht ausfüllt. Sogenannte Fischzüge (fishing expeditions), bei denen ins Blaue nach Steuersündern gefragt wird, sollen aber ausgeschlossen sein. Im Parlament stiess die Zulassung von Gruppenanfragen vor allem bei der Rechten auf harsche Kritik, zumal der Bundesrat diese Amtshilfemöglichkeit zunächst kategorisch ausgeschlossen hatte. Das Bankgeheimnis werde weiter aufgeweicht.
Zu reden gab im Parlament zudem, ob Gruppenanfragen auch für die Vergangenheit zulässig sein würden. Die Räte verzichteten darauf, die Frage zu klären. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf gab an, die Anfragen seien erst ab Inkrafttreten möglich. Diesen Standpunkt hält der Bundesrat nun auch in einer Verordnung fest. Da die Schweiz aber bereits im Juli 2012 dem OECD-Standard zustimmte, werden eventuell die Gerichte über die Rückwirkung entscheiden.
EU droht erneut mit schwarzer Liste
EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta hat derweil bekräftigt, dass die Schweiz ein halbes Jahr Zeit habe für Anpassungen bei den Steuerprivilegien für ausländische Unternehmen. «Ohne Fortschritte kommt die Schweiz auf die schwarze Liste», sagte er in einem Zeitungs-Interview. Die EU-Finanzminister hatten Anfang Dezember 2012 erklärt, sie wollten von der Schweiz bis Juni 2013 konkrete Fortschritte bei der Unternehmensbesteuerung sehen. EU-Kommissar Semeta wiederholte diese Forderung im Interview mit den Zeitungen «Tages-Anzeiger», «Bund» und «Le Temps» vom Freitag.
«Es gibt eine starke Erwartung unserer Mitgliedsstaaten, dass wir in den nächsten sechs Monaten mit der Schweiz zu konkreten Ergebnissen kommen.» Es sei offensichtlich, dass die EU-Länder zuerst ihnen zustehende Steuern einziehen müssten, wenn sie Einsparungen machten. «Unsere Bürger wollen Fairness sehen.» Hier werde der automatische Informationsaustausch hilfreich sein. Die Entwicklung gehe weltweit in diese Richtung. «Wir haben einen hohen Anspruch», sagte Semeta: «Wir wollen für unsere Mitgliedsstaaten ähnliche Konditionen, wie sie die Schweiz den USA (mit dem Steuerabkommen FATCA) zu gewähren bereit ist.»
«Schädliche Steuerpraktiken» abschaffen
Die EU arbeite ständig daran, schädliche Steuerpraktiken zu ändern oder abzuschaffen. «Wir wollen von der Schweiz nichts anders.» Wenn es Fortschritte gebe in den Gesprächen, «wird die Schweiz vermeiden können, auf der schwarzen Liste zu sein». «Wir haben nichts gegen Steuerwettbewerb, aber er muss fair sein», sagte Semeta. Der Verhaltenskodex der EU verlange, dass in- und ausländische Unternehmen gleich behandelt würden. Das Problem in der Schweiz liege darin, dass einige Kantone ausländische Firmen gegenüber inländischen bevorteilten. (awp/mc/ps)