Bern – Der Steuerstreit-Deal mit den USA, eine unilaterale Lösung des Bankenstreits, lässt die Wogen vor der Sommersession der eidgenössischen Räte hoch gehen. Kritik wird insbesondere am Eilverfahren geäussert, mit welchem das Gesetz gebilligt werden soll. Gleichzeitig suchen Politiker nach Alternativen.
Hans-Peter Portmann, Zürcher FDP-Kantonsrat und Präsidiumsmitglied des Zürcher Bankenverbandes, spielt den Banken den Ball zu. Sollte das Gesetz scheitern, «müssten die Verantwortlichen halt selber abwägen, ob sie zur Existenzsicherung ihrer Institute gegen Schweizer Recht verstossen müssen», sagte er im Interview mit der «Schweiz am Sonntag». Mit anderen Worten: Die Verantwortlichen würden sich strafbar machen und gerieten wohl wegen der Verletzung des Bankgeheimnisses ins Visier der Bundesanwaltschaft. «Auf Verletzung des Bankgeheimnisses können Strafen von bis zu 250’000 Franken verhängt werden. Im Vergleich zu einem möglichen volkswirtschaftlichen Schaden einer Bankenklage ist das ein lächerlicher Betrag», erklärt Portmann.
Forderung nach «Notrecht» widersprüchlich
Damit kommt eine Alternative zur «Lex USA» aus der Partei, die unbedingt verhindern will, dass der Bundesrat die politische Verantwortung ans Parlament abschiebt. Dies wäre nunmehr nur per Notrecht möglich – eine Forderung, die Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf als «widersprüchlich» bezeichnet.
Notrecht sei nur für Fälle vorgesehen, bei denen so hohe Dringlichkeit gegeben sei, dass auf parlamentarischem Weg keine gesetzliche Grundlage mehr geschaffen werden könne. «Das ist hier nicht gegeben», sagte sie im Interview mit der «SonntagsZeitung». Die Bundesverfassung sehe das nun angestrengte Sonderverfahren mit Dringlichkeitsbeschluss ausdrücklich vor. «Es ist deshalb widersprüchlich, den Erlass eines dringlichen Gesetzes zurückzuweisen (…) und an seiner Stelle Notrecht zu verlangen.»
Unilaterale Offerte
Vorgesehen ist, dass dieses Gesetz in der Sommersession der eidgenössischen Räte, welche am Montag beginnt, im dringlichen Verfahren von beiden Räten verabschiedet wird. Dagegen regt sich Widerstand, denn die Details des Programms werden von den USA erst danach bekannt gegeben. «Das ist insofern nicht gravierend, als dass das Programm nicht Teil des Gesetzes ist, sondern eine unilaterale Offerte der USA, die sich ausschliesslich an die Banken richtet und in keiner Weise den Bund verpflichtet», erinnerte Widmer-Schlumpf.
BDP beruhigt
Sukkurs erhält sie von BDP-Präsident Martin Landolt. «Es muss das Parlament nicht interessieren, wie die Lösungen im Einzelfall aussehen», sagte der Glarner Nationalrat im Interview mit dem «SonntagsBlick». «Das Parlament ist nicht Bestandteil der Lösung.» Schweizer Banken seien im Visier – nicht die Schweiz. Deshalb müsse das Parlament nur eine Grundlage schaffen, «damit diese Banken ihr Problem selber lösen können. Sie haben es sich ja eingebrockt.»
Ob die BDP und ihre Bundesrätin damit bei den anderen Parteien durchdringen, ist offen. Entscheidend werde sein, «wie viel wir Parlamentarier kommende Woche über das Angebot der Amerikaner erfahren werden», sagte CVP-Präsident Christophe Darbellay in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». «Wir wollen mehr Fakten. Dabei lassen wir uns nicht drängen – weder vom Bundesrat noch von den Medien.»
Bankiervereinigung warnt vor einem Nein
Eine Haltung, welche die Bankenseite nicht goutiert. «Um es ungeschminkt zu sagen: Ohne Programm ist keine Bank vor der Willkür eines US-Justizbeamten geschützt», sagte der CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), Claude Margelisch, in der «Finanz und Wirtschaft» (FuW). Und für diesen Fall stellt der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Interview mit der «Schweiz am Sonntag» klar: «Die Nationalbank hat nicht die Aufgabe, Banken zu retten», sollten hohe Bussen in den USA Banken in den Ruin treiben.
Betroffene im Zentrum
Während die Politik das Verfahren ins Zentrum stellt, sind für andere Akteure die Direktbetroffenen zentral. Ein Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bankpersonalverband (SPBV), der Schweizerischen Bankiervereinigung und dem Arbeitgeberverband der Banken soll den Schutz der Bankangestellten sicherstellen. Deren Daten dürfen gemäss dem geplanten Gesetz straffrei an die USA übermittelt werden. Für Datenschützer Hanspeter Thür ist dieser Schutz zentral und weil er Teil der Gesetzesvorlage ist, versteht er die Aufregung unter der Bundeshauskuppel nicht. Die Mitarbeitenden müssten gemäss Entwurf vorgängig über Umfang und Lieferung der Daten informiert werden, erklärte er am Samstag gegenüber Radio SRF. Sie erhielten so die Möglichkeit, gerichtlich gegen die Datenherausgabe vorzugehen.
Doch nicht alle trauen dem Abkommen: KV Schweiz hat in der Nacht auf Samstag bekannt gegeben, aus dem Gesamtarbeitsvertrag mit den Banken auszusteigen. Er kenne den Inhalt des Abkommens nicht, da die Verhandlungen ohne sein Wissen stattgefunden hätten, teilte der Verband mit. KV Schweiz ist überzeugt, die Interessen der betroffenen Angestellten besser vertreten zu können, wenn er «unabhängig agieren» könne.
Frist von 120 Tagen zur Altlastenbereinigung
Am Mittwoch hatte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf die Vorlage zur Lösung des seit mehreren Jahren schwelenden Steuerstreits zwischen der Schweiz und den USA präsentiert. Die USA bieten darin den Banken an, sich mit Datenlieferungen und Zahlungen freizukaufen und von Altlasten zu befreien. Zusätzlich werden hohe Bussen für die Schweizer Institute erwartet. Die Geldinstitute können aber nur auf das Angebot eingehen, wenn das Parlament in der kommenden Sommersession das Gesetz billigt, das ihnen die Kooperation mit den USA erlaubt. Gemäss Informationen der «NZZ am Sonntag» werden die Banken dann lediglich 120 Tage Zeit zur Bereinigung ihrer Altlasten mit den US-Behörden haben. (awp/mc/ps)