Steuerstreit: Experten bewerten Folgen der Vereinbarung unterschiedlich

Martin Janssen

Professor Martin Janssen. (Bild: ECOFIN)

Bern – Der Steuerstreit mit den USA ist mit der Unterzeichnung der Vereinbarung noch nicht ausgestanden. Dieser Ansicht sind die Experten Martin Janssen und Peter V. Kunz. Die Konsequenzen, die namentlich die Bussen für die Banken haben werden, bewerten sie unterschiedlich.

Martin Janssen, Unternehmer und früherer Professor am Institut für Banking and Finance der Universität Zürich, sieht Bussen in Höhe von insgesamt 5 bis 10 Milliarden Franken auf die Banken zukommen. «Für gewisse Banken ist es sehr viel Geld», sagte er am Freitag der Nachrichtenagentur sda.

Janssen: «Vielen Banken geht es nicht gut»
«Für den Bankenplatz Schweiz werden die Auswirkungen gross sein, da die Lage für die Banken sich seit Beginn der Finanzkrise sowieso zugespitzt hat. Vielen Banken geht es nicht gut.»

Rund ein Viertel der Vermögensverwaltungsbanken schreibe derzeit keine schwarzen Zahlen. «Damit kann der Steuerdeal mit den USA einige Banken in Bedrängnis bringen. Das gilt vor allem für kleine Banken. Aber auch für grössere Banken können die Bussen eine echte Belastung bedeuten», führt Janssen aus.

Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, erwartet dagegen keine grösseren Auswirkungen auf den Schweizer Bankenplatz – trotz der zu erwartenden hohen Bussen. «Die derzeit kursierenden Schwarzmalereien sind völlig übertrieben.»

Kunz: «Strukturbereinigung kommt»
Die Strukturbereinigung auf dem Schweizer Bankenplatz «wird kommen, jedoch nicht wegen des Steuerdeals», sagte Kunz. Der Grund: Kleine Banken müssten beim US-Programm gar nicht mitmachen. Das Programm sei freiwillig.

Beide Experten sind sich aber einig darin, dass der Steuerstreit mit den USA noch nicht ausgestanden ist. Für den Staat sei die Sache jetzt erledigt, sagte Kunz zwar. «Es ist jedoch eine grosse Illusion, zu meinen, die ganze Sache ist erledigt.» Der Steuerstreit werde bis mindestens 2016 andauern.

Auch Janssen ist der Auffassung, dass die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen ist – weder für die Banken und wohl auch nicht für den Staat. Die Banken müssten so oder so zahlen. «Ob wir damit draussen sind, die Schweiz und die Banken, ist nach wie vor unklar.»

Im Vergleich zur vom Parlament gebodigten «Lex USA» sei der Persönlichkeitsschutz unter der neuen Lösung gewahrt, urteilte Janssen. Das verschlechtere zwar die Situation einiger Banken. Dafür könnten sich Bankmitarbeiter, Rechtsanwälte und Treuhänder gegen die Lieferung ihrer Namen an die USA vor Schweizer Gerichten wehren.

Rechtsunsicherheit für Banken
«Es besteht aber die Gefahr, dass die Amerikaner das Programm beenden, falls sie nicht das erhalten, was sie wollen», erklärte Janssen. Auch Kunz sieht eine höhere Rechtsunsicherheit für Banken als mit der «Lex USA». Denn bis die Gerichte entscheiden würden, könne es zwei bis vier Jahre dauern.

Angesichts dieser Dauer könnten die Amerikaner ihre Geduld verlieren und ein Strafverfahren gegen die Bank einleiten. «Die Banken müssen jetzt einfach hoffen, dass es keine Einsprachen gibt.»

Auch die offenen Fragen bei den Abschleicherlisten brächten den Banken Rechtsunsicherheit, setzte Kunz hinzu. «Das Problem ist, dass niemand genau weiss, was genau auf die Abschleicherlisten muss.» Derzeit wisse keine Bank, welche Transaktionen sie melden müsse.

Datenschutz nicht ausgehebelt
Janssen begrüsste es aus rechtsstaatlichen Gründen, dass der Datenschutz nicht einfach mit einem Gesetz nach dem Wunsch eines amerikanischen Amtes ausgehebelt wurde. «Von der Aushebelung des Datenschutzes wäre eine grosse Zahl Menschen betroffen gewesen, ohne dass sie sich hätten dagegen zur Wehr setzen können. Das wäre eines Rechtsstaates nicht würdig gewesen.»

Es sei zwar positiv, dass die Kundendaten nicht einfach so an die Amerikaner ausgeliefert werden. Man dürfe sich aber keinen Illusionen hingeben: Über die Gruppenanfragen würden die Amerikaner am Schluss doch in den Besitz vieler Kundennamen gelangen. (awp/mc/ps)

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