Steuerstreit: Luft für französische Steuerflüchtlinge wird dünner

Eveline Widmer-Schlumpf

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.

Bern – Für reiche Franzosen könnte es künftig schwieriger werden, in der Schweiz der französischen Erbschaftssteuer auszuweichen. Die geplanten Änderungen sorgen jedoch für heftige Diskussionen, insbesondere in der Westschweiz. Die Schweiz und Frankreich haben sich im Grundsatz geeinigt: Im Herbst wollen sie ein Abkommen unterzeichnen. Es geht um die Revision des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Erbschaftssteuern (DBA).

Dass das Abkommen auf Wunsch Frankreichs revidiert werden soll, hatte das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) im Juli mitgeteilt. Der genaue Inhalt sollte erst bei der Unterzeichnung bekannt gegeben werden. In den vergangenen Tagen haben Westschweizer Medien die umstrittenen Punkte jedoch bekannt gemacht. Zu Wort meldeten sich vor allem Anwälte, deren Klienten davon betroffen wären. Sie kritisieren die Pläne und warnen davor, dass die Schweiz für wohlhabende Franzosen weniger attraktiv werde.

Französisches Recht in der Schweiz
Auch der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) bereiten die Pläne Sorgen. «Das Abkommen wird schwerwiegende Konsequenzen haben», sagte der freisinnige FDK-Präsident Christian Wanner am Montag auf Anfrage der sda. Er sieht gar die Steuerhoheit der Schweiz bedroht: Die Zugriffsrechte des französischen Fiskus würden stark ausgeweitet, gibt Wanner zu bedenken. Es gehe nicht bloss darum, dass den Kantonen – insbesondere in der Westschweiz – Einnahmen entgingen.

Schweiz unter Druck gesetzt
Die FDK hat sich am Ende dennoch mit der geplanten Revision einverstanden gezeigt. «Wir kommen nicht darum herum», sagt Wanner. Frankreich habe damit gedroht, das DBA zu den Erbschaftssteuern einseitig zu kündigen. Damit würden die in der Schweiz lebenden Franzosen bei Erbschaften unter Umständen doppelt besteuert, was aus Sicht der FDK schlimmer wäre.

In einer Stellungnahme zuhanden von Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf, die der sda vorliegt, schreibt der FDK-Vorstand, er stimme der Änderung «angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit einer Kündigung des DBA durch Frankreich» zu, weise jedoch auf Widersprüche zu Grundsätzen der grenzüberschreitenden Besteuerung hin. Bei einigen Finanzdirektoren sei das Abkommen auf «heftige Kritik» gestossen.

Wohnen in der Schweiz zwecklos
Das neue Abkommen dürfte gemäss der französisch-schweizerischen Anwaltskanzlei FBT im Wesentlichen jene Regeln enthalten, die Frankreich mit Deutschland ausgehandelt hat, wie die Kanzlei auf ihrer Homepage erläutert. Dies würde bedeuten, dass Erben in Frankreich künftig auch dann nach französischem Recht besteuert werden, wenn der Verstorbene zuletzt in der Schweiz gelebt hat.

Heute bezahlen die Erben in einem solchen Fall die Erbschaftssteuern in der Schweiz – sofern der Wohnkanton überhaupt Erbschaftssteuern kennt. In jedem Fall bezahlen sie einen Bruchteil dessen, was sie dem französischen Staat abgeben müssten. Reiche Franzosen können also die Erbschaftssteuer umgehen, indem sie den Lebensabend in der Schweiz verbringen – was vor allem den Westschweizer Kantonen attraktive Steuerzahler bringt.

Ausweichmanöver nicht mehr möglich
Vorgesehen ist im neuen Abkommen weiter, dass Liegenschaften in Frankreich auch dann der französischen Erbschaftssteuer unterliegen, wenn der in der Schweiz verstorbene Franzose diese lediglich indirekt besass, beispielsweise via Aktienmehrheit an einer Immobilienfirma. Bisher konnte die Erbschaftssteuer auf diesem Weg umgangen werden.

Frankreich hatte der Schweiz das Begehren um eine Revision des Abkommens noch vor der Amtseinsetzung von Präsident François Hollande unterbreitet. Das revidierte Abkommen soll spätestens am 1. Januar 2014 in Kraft treten.

Kritik an Finanzministerin
Zustimmen müssen allerdings noch die Parlamente beider Staaten. In der Schweiz ist kein diskussionsloses Ja zu erwarten. Bereits zu Wort gemeldet haben sich die Jungfreisinnigen, die Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf kritisieren.

Die Bundespräsidentin sei in einer Verhandlung mit dem Ausland «einmal mehr» eingeknickt, schreiben sie. «Wir akzeptieren keine ausländischen Eingriffe in unsere Steuerhoheit.» Die FDP will das Abkommen erst kommentieren, wenn dessen Inhalt offiziell vorliegt. Auch aus ihren Reihen und jenen anderer bürgerlicher Parteien dürfte jedoch Kritik laut werden.

Kein Widerstand ist von Seiten der SP zu erwarten, die sich seit Jahren für eine nationale Erbschaftssteuer in der Schweiz einsetzt. Derzeit sammelt sie zusammen mit christlichen Parteien, den Grünen und dem Gewerkschaftsbund Unterschriften für eine entsprechende Initiative. (awp/mc/ps)

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