Unterzeichnung des Steuerabkommens mit Deutschland am 14. November vergangenen Jahres in Bern.
Bern – Das ergänzte Steuerabkommen mit Deutschland wird am Donnerstag in Bern unterzeichnet. Damit nimmt das in Deutschland höchst umstrittene Abkommen eine wichtige Hürde. Auf welche Werte sich die Schweiz und Deutschland geeinigt haben, wird erst nach der Unterzeichnung bekannt gegeben. Der Bundesrat hat sich am Mittwoch hinter die Vertragsergänzung gestellt, wie Bundesratssprecher André Simonazzi vor den Medien in Bern erklärte. Diese werde am Donnerstag in Bern unterzeichnet – jedoch nicht auf Ministerebene. Laut einem Sprecher des Bundesfinanzministeriums in Berlin wird der deutsche Botschafter das Änderungsprotokoll unterzeichnen.
Dabei handelt es sich um ein Zusatzprotokoll zu einem Abkommen, das die Schweiz und Deutschland im August 2011 unterzeichneten. Die beiden Länder hatten sich damals darauf geeinigt, auf Kapitalerträgen deutscher Bankkunden in der Schweiz künftig eine Abgeltungssteuer von 26,375% zu erheben. Bereits in der Schweiz deponierte Schwarzgelder sollten nachträglich mit Sätzen von 19 bis 34% besteuert werden – je nachdem wie lange die Konten bereits bestehen und welche Vermögensveränderungen in den letzten Jahren auf diesen Guthaben verzeichnet wurden.
Schweiz bereit zu Konzessionen
Da jedoch SPD und Grüne das Abkommen als «Ablasshandel» ablehnten und die EU-Kommission die Besteuerung der Zinsen mit lediglich 26,375% kritisierte, erklärte sich die Schweiz zu Konzessionen bereit. Diese fanden Eingang in das Zusatzprotokoll. Auf welche Werte sich die Schweiz und Deutschland geeinigt haben, wird erst am Donnerstag bei der Vertragsunterzeichnung bekanntgegeben. Klar ist, dass deutsche Steuerflüchtlinge mit Schwarzgeldern in der Schweiz stärker als ursprünglich geplant zur Kasse gebeten werden sollen.
SPD bleibt hart
«Wir glauben, dies ist ein gutes Abkommen», warb der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Es biete für die Vergangenheit mit einer Pauschalabgeltung für unversteuerte deutsche Vermögen wie auch für künftige Kapitalerträge eine angemessene Lösung. Zudem werde das Problem unterschiedlicher Rechtsauffassungen in beiden Ländern gelöst, das zu den Haftbefehlen der Schweizer Justiz gegen drei deutsche Steuerfahnder geführt habe. Die Opposition in Deutschland hält an ihrer ablehnenden Haltung zum Abkommen fest. Die Nachbesserungen seien nicht ausreichend, weil es noch zu viele Schlupflöcher gebe, sagte Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Er kritisierte das Vorgehen Schäubles: «Er will mit der Brechstange den Erfolg.»
PR-Gag mit politischer Agenda
Wegen der drei Haftbefehle reichte die deutsche Boulevardzeitung «BILD» eine Strafanzeige gegen Justizministerin Simonetta Sommaruga ein. Das Blatt wirft ihr «versuchte Freiheitsberaubung, Nötigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung» vor. Für «BILD» ist dies nicht nur eine «publizistische Aktion», wie Nikolaus Blome, stellvertretender Chefredaktor der Zeitung der Nachrichtenagentur sda sagte. Es gehe auch um die Glaubwürdigkeit Deutschlands.
«Wie viel Steuerflucht darf ein Staat zulassen, der von den unteren Schichten per Gesetz eine Menge fordert und im Sozialbereich Verfehlungen streng ahndet», formulierte Blome die zentrale Frage. Auch am oberen Ende müssten Gesetze eingehalten und durchgesetzt werden. Den Verantwortlichen bei «BILD» ist bewusst, dass formal gesehen Bundesrätin Sommaruga nicht die richtige Ansprechpartnerin ist. «Wir haben sie stellvertretend für das Schweizer Justizwesen genommen», sagte Blome. Sommaruga hat von der Anzeige Kenntnis genommen; sie nahm am Mittwoch vor den Medien keine Stellung dazu.
Parlament als zweite und grösste Hürde
Die Strafanzeige tangiert das Abkommen in keiner Weise. Damit es in Kraft tritt, müssen ihm die Parlamente beider Länder zustimmen. Die Zustimmung Deutschlands zum ergänzten Abkommen steht dabei immer noch auf wackligen Füssen. Von der SPD und den Grünen geführte Bundesländer signalisierten, dass ihnen die Konzessionen der Schweiz nicht reichen. Sie wollen den Vertrag deshalb im Bundesrat blockieren. Wolfgang Schäuble hofft jedoch, dass dieser Widerstand vor allem durch anstehende Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen bedingt ist. Er geht davon aus, dass der Widerstand danach aufgegeben wird, dies umso mehr, als die Länder das Geld aus der Abgeltungssteuer brauchen können.
Auch in der Schweiz könnte dem Abkommen noch Widerstand erwachsen. Diverse Politiker aus dem bürgerlichen Lager befürchteten in den letzten Tagen, dass die Schweiz zu grosse Konzessionen machte. Grundsätzlich begrüssen sie das Abkommen, da aus ihrer Sicht die Abgeltungssteuer eine Alternative zum automatischen Datenaustausch darstellt. (awp/mc/pg/upd/ps)