WAK-Präsident Christophe Darbellay.
Bern – Deutschland soll keine Gruppenanfragen zu Steuersündern stellen können, die in den letzten Monaten Gelder aus der Schweiz abgezogen haben. Die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK) hat sich gegen rückwirkende Gruppenanfragen ausgesprochen. Die Kommission empfiehlt dem Nationalrat, sich beim Steueramtshilfegesetz dem Ständerat anzuschliessen und Gruppenanfragen in Amtshilfeverfahren zuzulassen. Dies beschloss sie mit 18 zu 7 Stimmen, wie WAK-Präsident Christophe Darbellay am späten Montagabend vor den Medien in Bern sagte.
Die Kommission verzichtete darauf, ins Gesetz zu schreiben, ab wann Gruppenanfragen zugelassen sein sollen. Damit wären Gruppenanfragen ab Inkrafttreten des Gesetzes möglich, voraussichtlich ab dem 1. Januar 2013.
Widmer-Schlumpf gegen Rückwirkung
Laut Darbellay sprach sich auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf gegen einen früheren Zeitpunkt aus. Widmer-Schlumpf hatte in einem Bericht zuhanden der Kommission drei mögliche Zeitpunkte genannt, darunter zwei frühere. Ob ein Land im Januar 2013 eine Gruppenanfrage stellen könnte, die sich auf Sachverhalte vor diesem Zeitpunkt bezieht, ist nicht restlos geklärt. Er selbst stelle sich aber auf den Standpunkt, dass die Schweiz eine solche Anfrage nicht akzeptieren würde, sagte Darbellay.
Der Nationalrat wird in der Debatte vom Mittwoch gar nicht darüber entscheiden können, ob er einen Zeitpunkt ins Gesetz schreiben will. Die Kommission lehnte mit 16 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen einen Antrag ab, der dies ermöglicht hätte.
Keine Rettung für das Steuerabkommen
Rückwirkende Gruppenanfragen hätten für das Steuerabkommen mit Deutschland von Bedeutung sein können: Deutschland hätte so eventuell Informationen über Steuersünder erhalten können, die ihr Geld in den letzten Monaten wegen des Steuerabkommens in ein anderes Land verschoben haben. Eine rückwirkende Geltung der Gruppenanfragen war deshalb als mögliche Rettung für das Steuerabkommen gehandelt worden. Darbellay sagte dazu, aus seiner Sicht hätte die Rückwirkung das Problem nicht gelöst. «Das macht den Braten nicht feisser.»
Die Kommission verzichtete auch darauf, im Gesetz näher zu umschreiben, was unter Gruppenanfragen genau zu verstehen ist. Sie lehnte es ab, im Gesetz zu verankern, dass «fishing expeditions» – Ermittlungen ins Blaue hinaus – nicht zulässig seien. Dies stehe bereits in einem anderen Gesetz, begründete Darbellay den Entscheid.
Neuer OECD-Standard
Ursprünglich hatte der Bundesrat im Steueramtshilfegesetz Gruppenanfragen explizit ausschliessen wollen. Er wollte Amtshilfe nur auf Ersuchen im Einzelfall leisten. Mit Blick auf den neuen OECD-Standard, den die Schweiz im Juli akzeptierte, empfahl Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dann aber, Gruppenanfragen zuzulassen.
Der Ständerat strich in der Folge die Wendung «im Einzelfall» aus dem Gesetz. Damit sind Gruppenanfragen nicht mehr ausgeschlossen, aber auch nicht explizit im Gesetz verankert. Dies bedeutet, dass die Schweiz künftig auch dann Steueramtshilfe leisten soll, wenn sich die Anfrage auf eine Gruppe von nicht einzeln identifizierten Personen bezieht und der Verdacht auf einem bestimmten Verhaltensmuster gründet.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrates wollte die Voraussetzungen im Steueramtshilfegesetz präzisieren und verlangte dazu einen Bericht aus dem Finanzdepartement. Nun ist sie aber bei der Version des Ständerates geblieben. (awp/mc/pg)