Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bern – Die Schweiz und die USA haben sich im Steuerstreit geeinigt, doch bleiben viele Unsicherheiten. Ob die Banken die Bedingungen der USA erfüllen und einer Klage entgehen können, hängt von den Gerichten ab. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zeigte sich am Freitag vor den Medien indes zuversichtlich. Die nun erzielte Lösung sei das Resultat einer dreijährigen Diskussion mit vielen Aufs und Abs, sagte Widmer-Schlumpf am Tag nach der Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der Schweiz und den USA. «Es ist ein Resultat, mit dem wir leben können.» Die Souveränität der Schweiz werde respektiert, das geltende Recht werde nicht rückwirkend geändert. Kundendaten würden ausschliesslich im Rahmen der Amtshilfe geliefert.
Als «grossen Verhandlungserfolg» bezeichnete Widmer-Schlumpf auch die Tatsache, dass die Bussen für die Banken nach Verschulden abgestuft sind. Am meisten müssen jene bezahlen, die noch nach Februar 2009 – nach dem Fall UBS – unversteuerte US-Vermögen angenommen haben. Es gebe Banken, welche die UBS-Kundenstämme samt Kundenberatern übernommen hätten, gab Widmer-Schlumpf zu bedenken.
Wie viel genau diese bezahlen müssten, lasse sich nicht quantifizieren. Mit den vorgesehen Bussen in der Höhe von 50% der unversteuerten Vermögen könnten sie aber durchaus in Schwierigkeiten geraten. Für Banken, die nach dem Fall UBS die Finger vom Geschäft mit unversteuerten Geldern liessen, dürfte es weniger dramatisch werden. Sie müssen höchstens 30% abliefern.
«Lex USA» wäre besser gewesen
Mit dem Programm, an dem sich die Banken beteiligen können, um ihre Vergangenheit zu bereinigen, ist sichergestellt, dass alle Banken nach denselben Regeln behandelt werden. Ohne ein solches Programm wären Vergleiche abhängig vom jeweiligen Gerichtsstand in den USA gewesen, sagte Widmer-Schlumpf – mit schwer kalkulierbaren Risiken.
Die Finanzministerin verhehlte jedoch nicht, dass ihr die Lösung mit der «Lex USA» lieber gewesen wäre. Diese war im Juni am Widerstand des Parlaments gescheitert. Zum einen hätte diese Lösung mehr Rechtssicherheit gebracht. Zum anderen haben die USA nach dem Nein die Bedingungen für die Banken verschärft.
Weniger Rechtssicherheit
Um einer Strafverfolgung in den USA zu entgehen, müssen die Banken nicht nur Bussen bezahlen, sondern auch Daten liefern. Mehr Rechtssicherheit hätte es mit der «Lex USA» deshalb gegeben, weil die Güterabwägung der Gerichte voraussehbarer gewesen wäre: Das Gesetz hätte bewirken sollen, dass das Interesse der Bank an der Datenlieferung höher zu gewichten ist als das Interesse von Mitarbeitenden, Anwälten und Treuhändern, die gegen US-Recht verstossen haben.
Ohne die «Lex USA» können diese nun Datenlieferungen vor Gericht anfechten, und es ist ungewiss, wie die Gerichte entscheiden. Im Bankenprogramm ist verankert, dass die USA ihr Angebot für eine Bank stoppen können, falls die Bank wegen Gerichtsentscheiden die Bedingungen nicht erfüllen kann.
USA können Programm stoppen
Sollte die Mehrzahl der Banken wegen Gerichtsentscheiden nicht in der Lage sein, die Bedingungen zu erfüllen, hätten die USA gar die Möglichkeit, das gesamte Programm zu stoppen, wie Widmer-Schlumpf sagte. Die Formulierung im Programm ist indes vage. Somit ist es eine Frage der Auslegung, wann genau die USA das Angebot für einzelne Banken oder das gesamte Programm zurückziehen können.
Widmer-Schlumpf räumte ein, dass erneut Gespräche auf politischer Ebene nötig sein könnten, um sich einig zu werden. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, dass die USA die Passage grosszügig auslegen und das Programm nicht wegen Problemen in Einzelfällen stoppen. Ferner gab sie der Hoffnung Ausdruck, dass die Mitarbeiter, Anwälte und Treuhänder die Notwendigkeit einer Lösung einsehen und nicht regen Gebrauch von ihrer Einsprachemöglichkeit machen.
Warten auf Leitentscheid
In jedem Fall hofft die Finanzministerin, dass es möglichst bald einen Leitentscheid eines Gerichts gibt. Aus ihrer Sicht ist das öffentliche Interesse beziehungsweise das Interesse der Bank an einer Datenlieferung auch ohne «Lex USA» höher zu gewichten als das Interesse der Mitarbeiter, Anwälte und Treuhänder, die US-Recht verletzt haben.
Die Musterverfügung des Bundesrates für die Einzelbewilligungen, mit welchen der Bundesrat den Banken die Datenlieferungen erlauben will, halte dies fest. Gerichtsentscheiden vorgreifen könne sie aber nicht, sagte Widmer-Schlumpf auf entsprechende Fragen.
Bedingungen verschärft
Die «Lex USA» hätte nicht nur mehr Rechtssicherheit gebracht, sondern auch etwas bessere Bedingungen für die Banken. In den Verhandlungen ist es laut Widmer-Schlumpf allerdings am Ende doch noch gelungen, gravierende Verschlechterungen zu verhindern.
Dabei ging es um die Kategorien, in welche die Banken eingeteilt werden. Nach dem Nein zur «Lex USA» hatten die USA die dritte Kategorie laut Widmer-Schlumpf «faktisch streichen» wollen. Diese Kategorie umfasst Banken, die beweisen können, dass sie nicht gegen US-Recht verstossen haben.
Kategorienwechsel eingeschränkt
Nun sind die Bedingungen zwar nicht so, wie sie im ursprünglichen Programm vorgesehen waren, doch gibt es die Kategorie noch. Die Banken können unter bestimmten Bedingungen von der Kategorie drei zur Kategorie zwei wechseln, wenn sie merken, dass sie entgegen den eigenen Vermutungen «Leichen im Keller» haben. Die Kategorie zwei umfasst jene Banken, die den USA umfassende Daten liefern und hohe Bussen bezahlen müssen.
Ein Wechsel in die andere Richtung ist aber nicht möglich: Sollten Banken, die sich für die zweite Kategorie angemeldet haben, merken, dass sie unschuldiger sind als vermutet, können sie nicht mehr in die dritte Kategorie wechseln. Im ersten Programm war dies vorgesehen gewesen. Nicht verändert haben sich die vorgesehenen Bussensätze.Widmer-Schlumpf zeigte sich zufrieden mit dem Resultat. Sie wies darauf hin, dass andere Staaten in ähnlicher Lage rückwirkend Recht geändert hätten. (awp/mc/ps)