Bern – Der Nationalrat will die Verrechnungssteuer auf inländischen Zinserträgen weitgehend abschaffen und die Umsatzabgabe auf Schweizer Obligationen aufheben. Er hat eine entsprechende Reform angenommen. Rückweisungs- und Änderungsanträge von links scheiterten deutlich.
Zwei Tage nach dem Nein der Stimmbevölkerung zur 99-Prozent-Initiative der Juso beschäftigte sich der Nationalrat am Dienstag als Erstrat mit einer weiteren Steuervorlage. Mit einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes soll der Standort Schweiz für den Fremdkapitalmarkt gestärkt werden. Den Auftrag für das Projekt erhielt der Bundesrat vom Parlament.
Die Vorlage sieht vor, die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen ausser bei Bankzinsen für inländische natürliche Personen abzuschaffen und die Umsatzabgabe auf Schweizer Obligationen aufzuheben. Damit soll es attraktiver werden, inländische Obligationen über einen inländischen Effektenhändler zu erwerben. Dank der Reform soll die bisher im Ausland getätigte Ausgabe von Obligationen künftig vermehrt aus der Schweiz heraus erfolgen, wie es in der Botschaft zum Entwurf heisst.
Laut dem Bundesrat führt die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf inländischen Zinsen zu einmaligen Mindereinnahmen von geschätzt einer Milliarde Franken. Dazu kommen gemäss Botschaft wiederkehrende «statische» Mindereinnahmen von 170 Millionen Franken. Zudem dürfte die Aufhebung der Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen beim Bund zu jährlichen Mindereinnahmen von 25 Millionen Franken führen.
Finanzplatz nach Krise stimulieren
«Insgesamt hat die Reform ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis», sagte Leo Müller (Mitte/LU) im Namen der Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK-N). Auch wenn die derzeitige Lage des Bundeshaushaltes schwierig sei, sei die Vorlage finanzpolitisch vertretbar, da sie nach Ausfällen in den ersten Jahren mittelfristig zu Mehreinnahmen führen sollte.
Diese Haltung teilten die Fraktionen von SVP, Mitte und FDP. Es handle sich um «die zentrale Vorlage für den Steuer- und Unternehmensstandort Schweiz», sagte Daniela Schneeberger (FDP/BL). Mit der Revision könnten ins Ausland abgewanderte Geschäfte wieder in die Schweiz zurückgeholt werden.
«Wir müssen nach der Corona-Krise alles beseitigen, was die Entwicklung des Finanzplatzes hemmt», hielt Thomas Matter (SVP/ZH) fest. Die Verrechnungssteuer und die Umsatzabgabe gehörten dazu. Diese wirkten sich heute hemmend auf den schweizerischen Fremdkapitalmarkt aus.
Auch die GLP unterstützte die Vorlage. «Für uns überwiegt, dass Teile der Nachteile der Verrechnungssteuer wegmüssen», sagte Fraktionssprecherin Kathrin Bertschy (BE). Es müsse aber «eine schlanke Reform» sein, damit diese alle weiteren Hürden schaffe.
«Weitere Steuergeschenke»
Nichts anfangen mit der Reform konnten die Linken im Nationalrat. Laut Franziska Ryser (Grüne/SG) werde mit der vorliegenden Vorlage das Ziel aus den Augen verloren. «Wir schaffen auf Biegen und Brechen weitere Steuergeschenke für Unternehmen.»
Es brauche eine Kurskorrektur, sonst – so Cédric Wermuth (SP/AG) – komme man einer schrittweisen Abschaffung der gesamten Verrechnungssteuer immer näher. Er wies zudem darauf hin, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für kurzfristige Steuerausfälle sei. Die Reform werde den aufgrund der Corona-Krise bereits angeschlagenen Bundeshaushalt weiter belasten.
Die Linken forderten mit einem Rückweisungsantrag einen teilweisen Verzicht auf das Bankgeheimnis. Konkret sollte nicht der oder die Steuerpflichtige, sondern in der Regel eine Bank als Zahlstelle die Vermögenswerte direkt der Steuerverwaltung melden.
«‹Keine Meldepflicht› heisst nichts anderes als eine Rampe für Steuerhinterziehung, weil dann Vermögen nicht mehr deklariert werden», sagte Jacqueline Badran (SP/ZH). Steuerehrliche hätten nichts von der Vorlage. «Das ist anachronistisch, das ist aus der Zeit gefallen.»
Nationalrat weitet Reform aus
Schliesslich behielten die bürgerlichen Fraktionen die Oberhand. Die Rückweisungsanträge von SP und Grünen wurden deutlich abgelehnt – mit 127 zu 52 Stimmen bei 8 Enthaltungen respektive 120 zu 66 Stimmen.
In den Details nahm der Nationalrat verschiedene Änderungen gegenüber der Fassung des Bundesrats vor. So soll auch die Verrechnungssteuer auf den Zinsen von indirekt über einen Schweizer Anlagefonds gehaltenen Obligationen abgeschafft werden, sofern diese Zinserträge separat ausgewiesen werden.
Was die Umsatzabgabe angeht, so beschloss der Nationalrat, diese nicht nur auf Schweizer Obligationen, sondern auch auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von nicht mehr als zwölf Monaten abzuschaffen. So soll der Markt für diese Art von Wertschriften in die Schweiz verlegt werden.
Die Linken kämpften erfolglos gegen die Ausweitung der Vorlage. Die Grünliberalen scheiterten mit ihrem Antrag, die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinsen von neu emittierten Obligationen zu beschränken.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 122 zu 68 Stimmen bei einer Enthaltung an. Mit der Reform beschäftigt sich als nächstes der Ständerat. (awp/mc/ps)