Bern – Strom wird im kommenden Jahr deutlich teurer. Auch die Versorgung dürfte im Winter unsicher werden, Engpässe sind nicht ausgeschlossen. Zu dieser Einschätzung kommt die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom), die Regulierungsbehörde des Bundes.
Die Strompreisentwicklung im Grosshandel zeige seit August vergangenen Jahres einen historisch einmaligen Anstieg, hiess es an der Jahresmedienkonferenz der Elcom am Donnerstag in Bern.
Dafür verantwortlich seien zu einem grossen Teil die Gaspreise, die im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ausserordentlich stark angestiegen seien. Dazu kämen noch die erneut stark gestiegenen Kohlepreise.
«Vorab würde ich mir eine Entspannung auf den Energiemärkten als Folge des Endes des Krieges in der Ukraine wünschen», wird Elcom-Geschäftsführer Urs Meister im Tätigkeitsbericht 2021 zitiert.
180 Franken mehr für 5-Zimmer-Haushalt
Die Elcom hat zu den erwarteten Tariferhöhungen erst im Mai eine Umfrage unter 613 Energieversorgungsunternehmen gemacht. Demnach wird ein Grossteil der Netzbetreiber für das kommende Tarifjahr je nach Beschaffungsprofil im Durchschnitt rund 47 Prozent höhere Energietarife verrechnen. Belastet würden Grossverbraucher und Haushalte gleichermassen.
Für einen 5-Zimmer-Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 4500 Kilowattstunden würde das einen Anstieg des Strompreises von rund 21 Rappen pro Kilowattstunde im Jahr 2022 auf knapp 25 Rappen pro Kilowattstunde für das kommende Jahr oder eine finanzielle Mehrbelastung von rund 180 Franken pro Jahr bedeuten.
Betriebe mit einem Jahresverbrauch von 150’000 Kilowattstunden müssten mit Mehrkosten von rund 6000 Franken rechnen. Die Unterschiede können im Einzelfall laut Elcom auch höher sein.
Vollständiger Gas-Lieferstopp nicht kompensierbar
Die Volatilität im Strommarkt hat auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit der Schweiz, wie Elcom-Präsident Werner Luginbühl vor den Medien betonte. Bereits in diesem Winter könnten Engpässe nicht ausgeschlossen werden.
Dies sei auch eine Folge des Ukraine-Kriegs, so Luginbühl. Ein kompletter Lieferstopp von russischem Gas wäre etwa nicht vollständig zu kompensieren. «Sollte russisches Gas gänzlich ausbleiben, wären Einschränkungen beim Verbrauch unausweichlich.» Allerdings könnte der Gas-Verbrauch aufgrund der steigenden Preise automatisch sinken, so Luginbühl weiter.
Weniger Atomstrom aus Frankreich
Auch dass der Strom bereits in diesem Winter knapp wird, kann Luginbühl nicht ausschliessen. Dies hänge auch mit der Situation in Frankreich zusammen, wo aufgrund technischer Probleme bei Kernkraftwerken aktuell deutlich weniger Strom produziert werde. Die Preise in Frankreich für den Winter 2022/23 seien darum auch deutlich höher als jene von Deutschland und der Schweiz.
Luginbühl geht davon aus, dass die Schweiz in kommendem Winter kaum Strom aus Frankreich, dafür vermehrt aus Italien und zum Teil auch aus Deutschland und Österreich importieren wird.
Falls sich die Situation in Frankreich nicht bessere und es zu einem vollständigen Lieferstopp von russischem Öl komme, seien Stromengpässe in diesem Winter möglich, so Luginbühl. «Wenn nur ein Problem besteht, muss die Situation nicht eskalieren; wenn beide Probleme zusammenkommen, könnten wir ein grösseres Problem bekommen.»
Hydro-Reserve sei wichtigste Massnahme
Für die Elcom die wichtigste Massnahme zur kurzfristigen Verhinderung eines Engpasses sei die bereits in die Wege geleitete Schaffung einer Hydro-Reserve basierend auf den bestehenden Wasserkraftwerken, sagte Luginbühl auf die Frage eines Journalisten. Daneben würden aber noch zahlreiche weitere Massnahmen geprüft.
Die Elcom ist die unabhängige staatliche Aufsichtsbehörde im Elektrizitätsbereich. Sie ist gemäss dem Stromversorgungsgesetz für die Überwachung der Versorgungssicherheit zuständig.
Die Elcom überwacht auch die Strompreise und entscheidet als richterliche Behörde bei Differenzen betreffend den Netzzugang. Sie überwacht zudem die Versorgungssicherheit im Strombereich und regelt Fragen zum internationalen Stromtransport und -handel. (awp/mc/ps)