Studie «Sicherheit 2022»: Sicherheit vor Freiheit
Bern- Im Januar 2022, also vor Beginn des Krieges in der Ukraine, gewichtete die Schweizer Stimmbevölkerung Sicherheit höher als Freiheit, fühlte sich sicher und hatte grosses Vertrauen in Institutionen. Dies zeigen die Ergebnisse der diesjährigen Studie «Sicherheit», die von der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich und dem Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich herausgegeben wird. Ob sich die Einstellung der Bevölkerung aufgrund des Ukraine-Krieges geändert hat, darüber wird eine Nachbefragung Aufschluss geben, deren Ergebnisse im Sommer vorliegen werden.
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben im Januar 2022 Sicherheit höher als Freiheit gewichtet (57%, +1 Prozentpunkt [Pp] gegenüber 2018). Der Anteil derjenigen, die Freiheit höher als Sicherheit gewichten, ist gegenüber 2018 signifikant gesunken (45%, -9 Pp). Im Vergleich zu 2008 sind die Befragten weniger stark der Meinung, dass der Staat immer mehr Aufgaben übernehmen muss (50%, -7 Pp). Die Auffassung, «in der Schweiz sind wir bald soweit, dass sich der Staat überall einmischt, alles reglementiert und die Freiheit des einzelnen verloren geht», ist gegenüber 2007 ebenfalls gesunken.
Unverändert grosses Vertrauen
Das Vertrauen in ausgewählte Institutionen ist unverändert gross (10er-Skala, 1 = «kein Vertrauen», 10 = «volles Vertrauen»). Die ersten Plätze belegen nach wie vor die Polizei (7.9, ±0.0), die Wissenschaft (7.8, ±0.0), die Gerichte (7.6, ±0.0) und der Bundesrat (7.3, ±0.0). Neuerdings belegt die Wirtschaft (7.0, +0.1) vor dem Parlament (6.8, -0.1) den fünften Rang, gefolgt von der Armee (6.7, -0.1). Den politischen Parteien (5.5, -0.1) und den Medien (5.4, -0.1) vertraut die Stimmbevölkerung am wenigsten.
Mit 94% (-1 Prozentpunkte) ist das allgemeine Sicherheitsempfinden Anfang 2022 bei der Schweizer Stimmbevölkerung unverändert hoch gewesen. Der Zukunftsoptimismus in Bezug auf die Schweiz ist gegenüber 2021 signifikant gestiegen (86%, +3 Pp). Die pessimistische Einschätzung hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der weltpolitischen Lage blieb statistisch unverändert bestehen (68%, +3 Pp).
Neutral und geringe aussenpolitische Öffnungsbereitschaft
Die Stimmbevölkerung hält auch im Januar 2022 fast einstimmig an der Neutralität fest (97%, +1 Pp). Aussenpolitisch zeigt sie sich unverändert und wenig öffnungsbereit. Während der vermehrten Konfliktvermittlung (75%, +4 Pp), der Entwicklungshilfe (66%, +1 Pp) und einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der EU (83%, ±0 Pp) mehrheitlich zugestimmt wird, wird auch im Januar 2022 ein Beitritt zur EU (16%, +3 Pp) oder zur NATO (26%, +1 Pp) abgelehnt. Auch wenn Kooperationen mit der UNO signifikant weniger stark unterstützt werden, liegen diese immer noch klar im Mehrheitsbereich.
Unverändert positive Einstellung gegenüber der Schweizer Armee
Die Notwendigkeit (75%, +2 Pp) der Armee sowie das Milizsystem (60%, +2 Pp) werden von einer Bevölkerungsmehrheit befürwortet. Die Stimmbevölkerung stimmt im Januar 2022 signifikant stärker einer «sehr gut ausgebildeten» (88%, +15 Pp) und «vollausgerüsteten» (70%, +12 Pp) Armee zu. Zudem sind Schweizerinnen und Schweizer signifikant zufriedener mit den Leistungen der Armee.
Im Vergleich zu 2018 unterstützt die Schweizer Bevölkerung einen obligatorischen Orientierungstag für Schweizer Frauen weniger stark – er wird aber weiterhin von einer Mehrheit befürwortet. Gleichzeitig möchte aber auch eine Mehrheit den Orientierungstag für Frauen nach wie vor auf freiwilliger Basis belassen. (VBS/mc/pg)