Studie: Systemwechsel auf Billigstmedikamente ist unerwünscht.
Liestal – Zur Eindämmung der rasant ansteigenden Gesundheitskosten werden auch hierzulande Massnahmen wie Festbeträge und Rabattverträge gefordert. Wie aktuelle Studien aus Deutschland belegen, stehen den damit verbundenen Kosteneinspareffekten auf lange Sicht jedoch Verschlechterungen für alle Teilnehmer im Gesundheitswesen gegenüber.
Der Experte und Gesundheitsökonom Professor Dr. Uwe May hat anhand von zwei Studien in Deutschland die Konsequenzen wirtschaftlich motivierter Therapiewechsel analysiert. Wie bei den in der Schweiz diskutierten Festbeträgen, bei denen wegen der drohenden erhöhten Zuzahlung de facto eine Einschränkung der Auswahl und der Zwang zum günstigsten Produkt besteht, erfolgt auch im Fall der Rabattverträge eine Einschränkung der Wahlfreiheit.
Auswirkungen auf System und Interessensgruppen
Beim Systemwechsel auf Billigstmedikamente stehen kurzfristigen Kosteneinsparungen langfristige Nachteile für alle Beteiligten gegenüber:
- Versicherer: Die erzwungene Einführung von Rabattverträgen führt längerfristig zu Mehrkosten durch zusätzliche Arztbesuche und kostspielige Krankenhausaufenthalte.
- Ärzte: Die Mehrzahl der Ärzte beurteilen Rabattverträge wie Festbeträge negativ. Sie werden als ein belastender Einfluss auf die Beziehung Arzt-Patient erlebt. Beklagt werden häufige, durch den Systemwechsel verursachte Rückfragen oder Beschwerden.
- Patienten: Therapieumstellungen durch Rabattverträge führen häufig zu Verunsicherung von Patienten, Fehlmedikationen, Einnahmefehlern und Therapieabbrüchen. Auch die Therapietreue (Compliance) verschlechtert sich.
- Hersteller: Bei den Herstellern bewirken die Umstellungen vor allem eine Einschränkung des unternehmerischen Handelns, einen Verlust unternehmerischer Planungssicherheit, fehlende Anreize zu generischer Innovation sowie Marktaustritte, Monopolisierung oder eine Verlagerung der Wertschöpfung ins Ausland.
Erfahrungen abschreckend für die Schweiz
Auch wenn die Verhältnisse nicht identisch sind, geht Professor May von einer ähnlichen Entwicklung für die Schweiz aus: “Rabattverträge und Festbeträge würden die Situation der Patienten gross modo spürbar verschlechtern. Statt auf kurzfristige Kosteneinspareffekte nur bei Medikamenten zu fixieren, empfiehlt sich eine umfassende Kosten-Nutzenbetrachtung unter Berücksichtigung aller Kostenarten.” Dr. Peter Huber, Geschäftsführer des Branchenverbands Intergenerika, unterstützt diese Erkenntnis: “Generika machen lediglich ca. 3% der Gesamtkosten zu Lasten der sozialen Krankenversicherung aus, hier braucht es keine Zwangsmassnahmen.”
GfK-Umfrage beweist: Schweizer wollen keine Billigstmedizin
Das sieht auch die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung so, welche die sehr gute Versorgungssituation und Anbieterstruktur zu schätzen weiss. Das zeigt eine Ende 2013 durchgeführte repräsentative Befragung von 1000 Schweizerinnen und Schweizern, ob sie für eine geringfügige Reduktion der Prämie bereit wären, auf die Auswahl des Medikamentes durch den persönlichen Arzt oder Apotheker zu verzichten. Mehr als drei Viertel der Befragten lehnten das ab, erstaunlicherweise unabhängig davon, ob sie gerade in Behandlung waren oder nicht. Dabei gibt es gemäss Peter Huber durchaus noch ein Einsparpotenzial: “Wenn man konsequent Originalpräparate durch Generika ersetzte, würden zusätzlich weit über CHF 100 Mio. pro Jahr zugunsten der sozialen Krankenversicherung eingespart.” (Intergenerika/mc/hfu)
Professor Dr. Uwe May
Volkswirt und Gesundheitsökonom und Inhaber der Professur für Gesundheitsökonomie mit Schwerpunkt Pharmaökonomie an der Hochschule Fresenius und zudem langjähriger Lehrbeauftragter im Studiengang Consumer Health Care der Charité-Universitätsmedizin Berlin, hat die Konsequenzen aus wirtschaftlich motivierten Therapiewechsel analysiert. Er bezieht sich auf 2 Studien. Studienprojekte an der Hochschule Fresenius mit dem Untersuchungszeitraum 2013 mit dem Forschungsgegenstand “Compliance, Therapieabbrüche, Krankenhauseinweisungen” bei Indikationen “Krebs” und “Depression”. Das zweite Projekt war des Forschungsprojekt IMS Health im Auftrag des BAH (Bundesverband der Arzneimittelhersteller)“Einfluss von Rabattverträgen auf die Gesundheitsversorgung.”
Intergenerika
ist die Vereinigung der führenden Generikafirmen in der Schweiz, die ihrerseits über 90% des Generika-Volumens in der Schweiz repräsentieren. Intergenerika fördert die Akzeptanz von Generika durch Aufklärung von Medizinalpersonen, Fachverbänden, Krankenkassen und Patienten und fördert deren Verbreitung als qualitativ mindestens gleichwertige, jedoch preiswertere Arzneimittel. Im Weiteren plant und koordiniert der Verband die Kontakte zu Medien, Behörden und Vereinigungen im Bereiche von Medizinalpersonen und des Gesundheitswesens. Mit allen Massnahmen verfolgt Intergenerika das Ziel einer angemessenen Vertretung von Generika im schweizerischen Arzneimittelmarkt bzw. im schweizerischen Gesundheitswesen.