Überschwemmungen und Erdrutsche verwüsten Schweizer Alpentäler

Überschwemmungen und Erdrutsche verwüsten Schweizer Alpentäler
Bei dem Unwetter im Kanton Graubünden wurde die Autobahn A13 stark beschädigt. (Foto: Kantonspolizei Graubünden)

Bern – Die Hochwasserlage hat sich am Sonntag in verschiedenen Regionen der Schweiz beruhigt und hinterlässt in etlichen Alpentäler ein Bild der Verwüstung. Im Bündner Südtal Misox wurde ein vermisster Mann tot geborgen. In Walliser Seitentälern wurde die Infrastruktur teilweise zerstört.

In der Ortschaft Sorte GR im Misox wurden am Sonntagabend weiterhin zwei Personen vermisst, wie die Einsatzkräften mitteilten. Am Freitagabend zog ein heftiges Gewitter über das Tal. Der Fluss Moesa trat über die Ufer und riss Teile der Nationalstrasse A13 mit sich. Auch die Kantonsstrasse wurde beschädigt. Ein Murgang zerstörte in Sorte GR drei Häuser. Vier Personen wurden zunächst vermisst.

Eine Bewohnerin des mittleren Hauses wurde am Samstagmorgen aus dem Schutt gerettet. Sie konnte mit der Aktivierung einer Applikation auf ihrem Mobiltelefon die Rettungskräfte alarmieren, wie der Einsatzleiter William Kloter der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Die Frau konnte die Intensivstation eines Spitals in Lugano TI verlassen und es geht ihr den Umständen entsprechend gut.

Am Sonntag fand die Alpine Rettung in der Moesa eine männliche Leiche, wie an einer Medienkonferenz in Roveredo GR mitgeteilt wurde. Dabei handelt es sich um eine der vermissten Personen. Die Chance die zwei weiterhin vermissten Personen lebend zu finden, sei minimal, so Kloter.

Der Tessiner Bundesrat Ignazio Cassis begab sich am Sonntag auf die Schadenplätze. An einer gemeinsamen Medienkonferenz mit den Regierungspräsidenten der Kantone Graubünden und Tessin sprach Cassis von einem «traurigen Tag» für die betroffenen Gemeinden, die Kantone Graubünden und Tessin und die ganze Schweiz.

Verkehrsachse bleibt unterbrochen
Aufgrund der Schäden an der A13 sowie an der Kantonsstrasse im Misox bleibt die Nord-Süd-Verkehrsachse über den San-Bernardino-Pass bis weiteres gesperrt. Das Bundesamt für Strassen (Astra) empfiehlt als Alternative die Autobahn A2 durch den Gotthardtunnel. Am Sonntag betrug die Wartezeit vor dem Südportal zwischenzeitlich rund eine Stunde und 40 Minuten, wie der TCS über die Plattform X mitteilte.

Teile der A13 sind eingestürzt, wie ein Sprecher des Astra auf Anfrage sagte. Falls es die Umstände zulassen, solle am Montag mit den Reparaturarbeiten begonnen werden. Ebenfalls am Montag werde das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) versuchen, die Verkehrsprobleme zu lösen.

Die Kantonsstrasse dürfe für den Transitverkehr keine Alternative sein, sagte der Bündner Regierungspräsident Jon Domenic Parolini. Diese diene vor allem dem regionalen und lokalen Verkehr im Misox. «Wenn am Schluss auch der internationale Verkehr über die Kantonsstrasse läuft, dann ist der Kollaps mehrmals programmiert», sagte Parolini.

Alarm für die Rhone aufgehoben
Im Wallis stabilisierte sich die Lage und der am Samstag begonnene Rückgang des Hochwassers setzte sich fort, wie das Präsidium des Staatsrates und das Kantonale Führungsorgan (KFO) am Sonntag mitteilten. In der Folge wurden der Alarm für die Rhone und die Seitenflüsse sowie die besondere Lage aufgehoben.

Die seit Donnerstag gefallenen Niederschläge sowie die Schneeschmelze und die Sättigung der Böden führten laut Communiqué zu einer Überschwemmung der Rhone und der Seitenflüsse. Zudem kam es zu mehreren Murgängen entlang von Seitenflüssen, insbesondere in den Regionen Zermatt, Evolène und im Val d’Anniviers .

Schäden in den Seitentälern
Die Verantwortlichen der besonders betroffenen Gebiete, die die Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Sonntag kontaktierte, zeigten sich zunächst erleichtert, dass es keine Todesopfer gegeben habe. Sie betonten jedoch, dass die Schäden beträchtlich seien.

Niemand wollte sie genau beziffern, gesprochen werde aber von vielen Millionen Franken. Zudem würde es mehrere Monate dauern, bis die Arbeiten abgeschlossen seien und die Lage wieder normal sei.

In den Tälern Val d’Anniviers und Val d’Hérens seien Kanalisationen und Strassen in Flussnähe beschädigt worden. Die Navisence beziehungsweise die Borgne traten über die Ufer. Die Situation sei zurzeit katastrophal, sagte David Melly, Gemeindepräsident von Anniviers.

In Evolène, im Val d’Hérens, «wurde die Haupttrinkwasserleitung zerstört», berichtete Patrick Sierro, Vizepräsident der Gemeinde. Es werde eine Übergangslösung eingerichtet.

Zermatt war zeitweise unerreichbar
Die Vispa, ein Fluss im Mattertal, war am Freitag über die Ufer getreten. Wegen Überschwemmungsgefahr wurden die Strasse und die Bahnlinie zwischen Täsch und Zermatt gesperrt. Am Samstagabend wurde der Betrieb der Bahn zwischen den beiden Dörfern wieder aufgenommen. Auch die Strasse war ab dann wieder befahrbar.

Aufgrund von Schäden an der Infrastruktur zwischen Visp und Täsch müssen Reisende für diese Strecke auf einen Bahnersatzbus benutzen. Die gesperrte Teilstrecke bleibe bis mindestens Ende dieser Woche eingestellt, hiess es am Samstag.

Im Waadtländer Chablais normalisierte sich die Lage, wie der Krisenstab des Kantons Waadt am Sonntag mitteilte. Schäden seien nicht entstanden. Am Sonntag wurden grosse Holzmengen an der Rhonemündung in den Genfersee abtransportiert.

Der Abfluss der Rhone erreichte bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag seinen Höhepunkt, wie die Walliser Behörden schrieben. Die Wassermengen in den Flüssen sei immer noch hoch und das Hochwasser habe die Flussufer geschwächt, hiess es weiter. Die Behörden raten davon ab, sich in die Nähe von Flussbetten zu begeben.

Pegel am Bodensee steigt weniger stark
Der Anstieg des Wasserpegels am Bodensee verlangsamte sich am Sonntag gegenüber dem Vortag. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) wird er am Montag den Höchststand erreichen.

Der See sei an einigen Stellen über die Ufer getreten, sagte ein Vertreter des regionalen Führungsstabs Kreuzlingen auf Anfrage von Keystone-SDA. Schadenmeldungen in Bezug auf die hohen Wasserstände sind bei der Kantonspolizei Thurgau bis zum frühen Sonntagabend jedoch keine eingegangen, wie Sprecher Matthias Graf sagte.

Das Bafu geht davon aus, dass es bei der Hochwassergefahrenstufe vier für den Bodensee bleibt und die Stufe 5 (sehr grosse Gefahr) nicht erreicht wird. (AWP/mc/pg)

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