SVP-Präsident Toni Brunner.
Bern – Gemischt sind die ersten Reaktionen der Parteien auf das Konzept des Bundesrates für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Die SP pocht darauf, die Initiative nicht auf Kosten der Kurzaufenthalter umzusetzen. Die SVP freut sich zwar, dass einige Punkte aus ihrem Konzept aufgenommen wurden. Für die Vernehmlassungsvorlage sieht die SVP aber doch beträchtlichen Bedarf für Nachbesserungen. Für sie ist die Beschränkung des Familiennachzugs und des Zugangs zu den Sozialwerken zwingend nötig.
Den Fahrplan des Bundesrats zur Umsetzung der Initiative nennt sie aber inakzeptabel. Der Bundesrat kündige bereits für den Herbst ein Verhandlungsmandat mit der EU an, während erst Ende Jahr eine Vernehmlassung zur konkreten Umsetzung des Verfassungsartikels eröffnet werden solle. Damit bestätige er, dass er nicht an einer ernsthaften Umsetzung interessiert sei.
FDP: Fehlender Mut
Die FDP unterstützt zwar die Stossrichtung des Konzepts generell, kritisiert aber den weiterhin fehlenden Mut bei der unabhängig von der EU möglichen Beschränkung des Familiennachzugs aus Drittstaaten sowie bei Massnahmen im Asylwesen. Die Partei werde für den bilateralen Weg kämpfen und unterstütze deshalb auch die Verhandlungen für dessen Erneuerung.
Dabei seien die roten Linien und damit die Volksrechte zu respektieren. Deshalb dürften die Verhandlungen über den Fortbestand der Bilateralen und jene zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative samt gegenseitigen Konzessionen nicht vermischt werden. Strikt abgelehnt werden von der FDP weitere flankierende Massnahmen im Arbeitsbereich.
SP: Keine Diskriminierung
Die SP will keine Diskriminierung bei der Umsetzung der SVP-Initiative. Sie befürchtet, dass Betriebe die Kontingente für Jahresbewilligungen mit Temporärangestellten und Kurzaufenthaltern umgehen werden. Würden verschiedene Zuwanderungskategorien gegeneinander ausgespielt, öffne das dem Missbrauch Tür und Tor.
Als «altes bürokratisches Modell» bezeichnen die Grünen das Konzept. Der Bundesrat nutze seinen Spielraum nicht und bewege sich auf eine Sackgasse zu. Für die Vernehmlassung fordern sie eine zweite, EU-kompatible Vorlage. Die Initiative könne umgesetzt werden, ohne dass die Schweiz sich von der Personenfreizügigkeit trennen müsse.
CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay lobte den Bundesrat über den Kurznachrichtendienst Twitter für die konsequente Umsetzung der Initiative und fügte ein «Gut so aber schmerzhaft!» bei.
Kantone: Erleichtert über föderalen Ansatz
Für die Kantone stimmt die Stossrichtung des Konzepts. In den Details gebe es in der nächsten Phase allerdings noch Vertiefungsbedarf, sagte der St. Galler Regierungsrat Benedikt Würth der Nachrichtenagentur sda. Entscheidend sei für die Kantone, dass die Ermittlung der Höchstzahlen wirklich aufgrund der Bedürfnisse der Kantone beziehungsweise der Wirtschaft ermittelt würden und auch nach bestimmten Kriterien bewertet würden. «Wir sind erleichtert, dass der Bundesrat im Grundsatz den föderalen Ansatz übernommen hat.»
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) begrüsst die Vorschläge. Mit der präsentierten Lösung werde zentralen Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung getragen. Mehr Flexibilität fordert der SGV bei den Kurzaufenthaltern. Diese sollten nicht nur während 90 Tagen, sondern während eines Jahres kontingentsfrei in der Schweiz arbeiten dürfen. Auch der Schweizerische Bauernverband (SBV) könnte damit leben, dass nur Aufenthalte von bis zu vier Monaten ohne Kontingente bewilligt werden, wie Geschäftsleitungsmitglied Peter Kopp sagte. Der SBV hätte allerdings eine Begrenzung bei zwölf Monaten bevorzugt.
Gewerkschaften: Schlecht für die Löhne
Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) dagegen sind die Vorschläge des Bundesrats schlecht für Löhne und Arbeitsplätze. Mit den Vorschlägen des Bundesrats würden sehr kurzfristige Anstellungen gefördert, insbesondere prekäre Temporärarbeit, schreibt er. Der Schweizerische Arbeitgeberverband äussert sich irritiert darüber, dass der Bundesrat vorhandenen Umsetzungsspielraum zugunsten der bilateralen Verträge nicht nutzt. Insbesondere für Kurzaufenthalter bis zu einem Jahr wäre der Verzicht auf eine Kontingentierung verfassungskonform.
Die Spitalbranche mit einem hohen Anteil ausländischem Personal bezeichnet es als positiv, dass der Bundesrat auf eine Höchstzahl bei den Kontingenten verzichten will. Entscheidend werde der Einbezug der Kantone sein, da in Spitälern die Sprachkenntnisse ausschlaggebend seien, sagte Conrad Engler, Mitglied der Direktion des Spitalverbandes H+. Das Kriterium Beruf für die Bemessung der Kontingente tauge für hochspezialisierte Tätigkeiten und Fachpersonal. Aber für viele Funktionen in Spitälern und Kliniken sei es nicht anwendbar, zum Beispiel beim Bettentransporteur. (awp/mc/pg)