Swisscom-Präsident stellt Mehrheitsbeteiligung des Bundes infrage
Zürich – Der im Frühling bei Coop und Swisscom als Verwaltungsratspräsident abtretende Hansueli Loosli stellt die 51-Prozent-Mehrheit des Bundes am Telekomkonzern infrage. In Europa hätten fast überall die Staaten die Mehrheit an Telekomunternehmen abgetreten, sagte er im Interview mit den «CH Medien»-Zeitungen (Ausgabe, 31.12.).
Auch wenn die Beteiligung auf 35 oder 40 Prozent sänke, könne der Bund weiterhin über das Gesetz wichtige Punkte wie etwa das Netz oder die Zugänge sichern. Die Frage zum Bundesanteil bei der Swisscom müsse aber die Politik beantworten, fuhr Loosli fort. «Ich sage einfach: Bundesrat und Parlament sind gut beraten, an der ursprünglichen Idee eines liberalen Kurses festzuhalten. Die Öffnung des Telekommarktes hat funktioniert.»
Loosli wehrt sich im Interview zudem gegen den Vorwurf, dass die Swisscom die Konkurrenz etwa beim Ausbau des Glasfasernetzes aus dem Markt drücken wolle. «Niemand wird aus dem Markt gedrückt oder benachteiligt, im Gegenteil, die Mitbewerber profitieren und nutzen diskriminierungsfrei zu regulierten oder kommerziell vereinbarten Bedingungen unsere Netze.» Wie kommuniziert werde die Swisscom gegen die von der Wettbewerbskommission (Weko) aufgestellten vorsorglichen Massnahmen im Glasfasernetzbau Beschwerde einreichen.
Aus der Pannen-Serie bei der Swisscom im Frühjahr, die sogar Notruf-Nummern betraf, habe die Gruppe derweil die Lehren gezogen, ist Loosli überzeugt. «Insgesamt funktionieren unsere Systeme hervorragend, das zeigte sich bei Corona. Die Swisscom ist technologisch top, das beweisen auch alle gewonnenen Tests 2020.»
Preise im Detailhandel nicht zu hoch
Mit Blick zurück auf seine Arbeit bei Coop, war es laut Loosli wichtig, konsequent auf Qualität und Preis sowie auf eigene Produktivität zu setzen. «Mir war früh klar, dass irgendwann die ausländischen Discounter in die Schweiz kommen würden. Darum haben wir rechtzeitig die Kosten heruntergefahren, gegen 20 kleinere Lagerhäuser geschlossen und neue, grössere wie Schafisheim gebaut und voll auf die Digitalisierung gesetzt.» Coop sei wettbewerbsfähiger geworden, habe Marktanteile dazugewonnen und war gewappnet.
Das Preisniveau in der Schweiz schätzt Loosli im Vergleich mit dem Ausland nicht als zu hoch ein. Entscheidend im Vergleich seien nicht die absoluten Preise, sondern die Kaufkraft. «Die Schweizer geben durchschnittlich nur 8 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, die Deutschen 11 und die Franzosen 13 Prozent.» Nebst dem höheren Verdienst in der Schweiz kämen auch noch die viel tieferen Steuern und die bessere Altersvorsorge dazu.
Derzeit profitiert der Schweizer Detailhandel davon, dass der Einkaufstourismus durch Corona lahmgelegt ist. Doch das werde sich wieder ändern, ist Loosli überzeugt. Dennoch würden viele Einkaufstouristen die Vorteile des Einkaufens in der Nähe entdecken. Viele Konsumenten hätten erkannt, wie viel Zeit und auch Kosten fürs Auto sie sparen. «Und sie realisieren, dass es fast für alles auch hierzulande Produkte gibt, die ebenso günstig sind.»
Mit Blick auf die in der Schweiz angelaufene Impfkampagne gegen das Coronavirus stellt sich Loosli gegen eine Impfempfehlung an die Angestellten. «Es ist nicht unsere Aufgabe, den Leuten zu sagen, dass sie sich impfen lassen sollten. Das muss jeder selber wissen.» Es gehe um Information und Aufklärung, nicht ums Druckmachen. Und auch dass wie in gewissen asiatischen Ländern nur geimpfte Kunden in die Läden dürften, sei hierzulande völlig undenkbar. (awp/mc/ps)