Swisscom beerdigt analoge Telefonie nach fast 160 Jahren
Swisscom-Netzchef Heinz Herren. (© Swisscom / Caspar Martig)
Bern – Die Swisscom schreibt Geschichte: Knapp 160 Jahre nach der Erfindung durch Johann Philipp Reis will der «Blaue Riese» die traditionelle analoge Sprachtelefonie beerdigen. Ende 2017 wird der Stecker gezogen. Ab dann hat das gute alte Wählscheibentelefon ausgedient.
Die alte analoge Telefonie sei nicht mehr zeitgemäss, sagte Swisscom-Netzchef Heinz Herren am Dienstag vor den Medien in Zürich. Bereits heute würden praktisch alle angebotenen Dienste auf der Internettechnik laufen, so etwa Email, Fernsehen und Surfen im Web. Nur die Sprachtelefonie funktioniere heute noch grösstenteils mit der alten Analogtechnologie.
Heute gebe es noch rund 2 Mio Kunden, die analog telefonierten, sagte Herren: «Wir nehmen uns Zeit bis 2017, diese Kunden so sanft wie möglich auf VOIP (Voice over IP) umzustellen.» Wenn der Kunde ein neues Abo bestelle oder sein bisheriges Abo ändere, werde er automatisch auf die Internettelefonie umgestellt. 260’000 Kunden habe man bereits gewechselt.
Swisscom: Kein Wechselzwang
«Wir zwingen die Kunden nicht zum Wechseln», sagte Marketing- und Produkteleiter für Telefonie und Internet, Guido Tranel: «Jeder Kunde, der analog telefoniert, kann das weiterhin tun.»
Aber der Kunde könne dann keine Bündelangebote aus Telefonie, TV und Internet beziehen. Auch von den neuen Produkten, die die Swisscom in Zukunft auf den Markt bringen werde, seien die nicht wechselwilligen Analogtelefonierer ausgeschlossen.
«Fast alle Kunden wollen auch Internet», sagte Tranel. Die Swisscom habe heute schon fast 1,6 Mio private Internetkunden. Das sei der Grossteil aller Haushalte.
Man werde sehen, wie viele Kunden in den verbleibenden vier Jahren bis zum Aus der analogen Telefonie Ende 2017 auf die «natürliche» Art und Weise auf die Internettelefonie wechseln würden. «Für die verbleibenden Kunden werden wir auf jeden Fall eine Lösung bringen», sagte Herren.
Kein Telefonanschluss bei Stromausfall
Ab dann brauchen die Kunden, die weiterhin nur mit der Swisscom telefonieren wollen, einen Router, um ihr Telefon anzustecken. Das gute alte Wählscheibentelefon habe damit definitiv ausgedient, sagte Herren. Auch ISDN-Telefonie würden nicht mehr funktionieren.
Der Nachteil der Internettelefonie ist, dass bei einem Ausfall des Routers oder des Stroms nicht mehr telefoniert werden kann. Das alte Analogtelefon funktioniert dagegen unabhängig von der Stromversorgung zu Hause. Bereits heute würden aber die meisten Kunden bei einem Stromausfall zum Handy greifen, sagte Herren.
Abwimmeln von Werbeanrufen
Der Technologiewechsel aufs Internetprotokoll habe aber auch Vorteile für die Kunden, sagte Tranel: So erscheine im Display nicht mehr nur die Nummer des Anrufers, sondern sein voller Name, sofern der Anrufer diesen nicht habe sperren lassen.
Und ein Kunde kann im Kundencenter auf der Swisscom-Homepage Nummern sperren. Damit könne man beispielsweise lästige Werbeanrufe abwimmeln, sagte Tranel. Zudem sei die Sprachqualität deutlich besser, wenn beide Gesprächspartner über neue Internettelefone miteinander sprechen würden.
Auch bei einem Umzug werde die Mitnahme des Telefonanschlusses wesentlich einfacher als bisher. Nachdem man die neue Wohnungsadresse auf der Homepage eingegeben habe, könne man einfach den Router einstöpseln, der den Kunden identifiziere, und gleich lossurfen. Das physische Umschalten von Leitungen entfalle in Zukunft, sagte Tranel.
Wenn alle Dienste auf der Internettechnologie basierten, seien auch Neuerungen möglich. So wäre denkbar, dass bei einem Anruf während des Fernsehens auf dem TV ein Hinweis aufscheine, sagte Tranel. Das sei aber noch Zukunftsmusik.
Einsparungen noch unklar
Wie viel die Swisscom durch die Abschaltung der analogen Telefonie einsparen könne, wisse man noch nicht, sagte Herren. Das sehe man, wenn sich die Situation eingespielt habe. Die grössten Einsparungen ergäben sich durch einfachere Abläufe.
Mit der Abschaltung der analogen Telefonie ist die Swisscom nicht alleine. In Deutschland hat die Deutsche Telekom ihren Ausstieg bis Ende 2018 angekündigt. In Mazedonien habe die Deutsche Telekom bereits alle Kunden umgestellt, sagte Tranel. (awp/mc/upd/ps)