Tamedia-VRP Supino: SRG darf keine privaten Medien konkurrieren
Zürich – Aus Sicht von Pietro Supino, dem Verwaltungsratspräsidenten des grössten privaten Schweizer Medienhauses Tamedia, ist ein gebührenfinanzierter Rundfunk, wie ihn die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG bietet, zwar unterstützenswert. Doch solle die SRG ihr Privileg bei der Finanzierung nicht missbrauchen, um private Medienhäuser in der Schweiz zu konkurrieren.
Konkret verlangt Supino, dass die SRG auf neue Formen der Kommerzialisierung wie zum Beispiel Online-Werbung verzichtet, wie er an der traditionellen, vom Medieninstitut organisierten Dreikönigstagung der Schweizer Presse am Dienstag in Zürich erklärte.
Weiter konnte Supino sich einen Seitenhieb auf die Werbeallianz Admeira, in der nebst der SRG auch die Swisscom und Konkurrent Ringier sitzen, nicht verkneifen. «Bei Kooperationen mit privaten Unternehmen müssen diese von der SRG unbedingt gleich behandelt werden», so der Tamedia-VRP. Ansonsten käme dies ebenfalls einem Missbrauchs des Privilegs der Gebührenfinanzierung gleich.
Mehr Medienkompetenz
Ausserdem fordert Supino mehr Medienkompetenz der Medienkonsumenten – damit sie Qualität erkennen und freie Entscheidungen treffen. Die medienpolitische Diskussion kritisiert er als teilweise «nicht ehrlich» und von Eitelkeiten bestimmt.
Denn als Medienmacher, so seine Botschaft, dürfe man sein Publikum nicht unterschätzen. Im Gegenteil: Die Medienkompetenz der Menschen müsse «die absolute medienpolitische Priorität» sein.
Schulen und Journalisten
In einer freien und aufgeklärten Gesellschaft sollten die Menschen das Medienangebot bestimmen – durch ihre bewussten Wahlen und ihre Nachfrage in Form ihrer Mediennutzung. Das sei «besser, als wenn übergeordnete Instanzen über das richtige Medienangebot entscheiden», sagte Supino, ohne Akteure zu benennen.
Dies setze aber voraus, dass Menschen Grundkenntnisse darüber haben, wie Medien funktionieren. Nur so könnten sie Qualität erkennen und bewusste und freie Entscheidungen treffen.
Unter Medienkompetenz versteht Tamedia-Verwaltungsratspräsident Supino nicht etwa den Umgang Jugendlicher mit neuen Medien, sondern ein Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen politischem System und Mediensystem. Dieses Interesse zu wecken, sei die Aufgabe der Medien selbst und der Schulen.
Zudem müssten die Leserinnen und Leser verstehen, welche unterschiedlichen Quellen und Medienangebote es gibt, wie sie entstehen und nach welchen Qualitätskriterien sie beurteilt werden können. Auch hier sieht Supino unter anderem die Schulen in der Pflicht – seiner Vorstellung nach könnten Kinder von Unterricht mit Journalistinnen und Journalisten profitieren.
Pfründe und Eitelkeiten
Kritik übte der Verlegerpräsident an der Medienpolitik. Im Diskurs würden fast nur höhere Interessen wie das Funktionieren der Demokratie und der Zusammenhalt des Landes als Hauptmotivationen der Akteure angeführt, sagte er. Das scheine ihm «nicht normal und auch nicht ehrlich».
Denn in der Medienpolitik und im Mediengeschäft gehe es massgeblich auch um Einfluss und Deutungshoheit – «oder mit anderen Worten um politische Macht, um Positionen und Pfründe, um finanzielle Interessen und um Eitelkeiten». Für Supino wäre es «ein Gewinn, wenn der Diskurs transparenter und mit mehr inhaltlicher Substanz» geführt würde – und dazu wiederum braucht es Beobachter und Medienkonsumenten mit Medienkompetenz.
Keine Aussage zu Geschäftszielen
Zu den Geschäftszielen der Tamedia äusserte sich Supino hingegen nicht. Erst Ende Dezember 2017 war bekannt geworden, dass das Medienhaus die Medienvermarkterin Goldbach zu einem Kaufpreis von 216 Mio CHF, respektive 35,50 CHF pro Goldbach-Aktie übernehmen wird. Ziel der Transaktion ist die Schaffung eines der reichweitenstärksten Vermarkter der Schweiz.
Aus Sicht des Publizistikwissenschaftlers Otfried Jarren ist die Übernahme eine Reaktion von Tamedia auf Admeira. Gegenüber der Agentur SDA warnte er aber auch, dass die traditionelle Medienbranche technologisch kaum in der Lage sei, neuen Anbietern wie Google Paroli zu bieten. Trotzdem mache die Übernahme ökonomisch Sinn, sagte Jarren, der an der Universität Zürich lehrt. (awp/mc/ps)