Von Helmuth Fuchs
Wohl etwas unfreiwillig liefert die Swiss zur Zeit gerade einen der erhellendsten Beiträge zu den Auswirkungen bei Annahme der Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm um den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Offensichtlich sehen einige den Schutz vor Diskriminierung einseitig als Freipass, Andersdenkende auszuschliessen und so zu … tja, diskriminieren.
Im Oktober letzten Jahres wurden auf einige Filialen des Glarner Schokoladeherstellers Läderach von Linksextremen Buttersäureattacken durchgeführt, die Juso riefen zum Boykott auf und organisierten Demonstrationen vor Filialen. Als Grund für die Aktionen wurde das Engagement der Läderach-Besitzerfamilie gegen Abtreibungen aufgeführt. Jürg Läderach führt zudem seit langem einen Kampf gegen den «moralischen Niedergang». Dazu tragen nach seiner Ansicht gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Pornografie, aber auch Harry Potter bei. Jetzt kann man diese Ansichten den Kopf schütteln, aber in Läderachs Unternehmen wurden weder Kunden, Lieferanten noch Mitarbeiter wegen ihrer religiösen oder sexuellen Präferenzen diskriminiert (zumindest als Kunde kann ich das bestätigen).
Ein Gesetz ist nicht selektiv, es gilt für alle
Aufgrund dieser negativen Schlagzeilen und offenbar vermehrtem Druck der LGBTIQ*-Community hat die Swiss daraufhin ihren seit zehn Jahren bestehenden Vertrag mit Läderach als Schokoladenlieferant gekündigt. Zwar schob man noch eine halbherzige Erklärung hinterher («Grundsätzlich sind für die Auswahl eines Lieferanten die Qualität, verschiedene wirtschaftliche Aspekte sowie der Markenfit ausschlaggebend»), aber im Wesentlichen ging es hier um das positive Image (die Qualität der Schokolade ist nämlich ausgezeichnet und aus fairem Handel), das man auch beim Kabinenpersonal, welches einen signifikanten Anteil von Homosexuellen hat, bewahren wollte. So weit so löblich.
Dumm nur, dass Diskriminierung nicht nur für diejenige Gruppe gilt, die gerade die meiste mediale Aufmerksamkeit geniesst und sich am schrillsten zu Worte meldet. Sie gilt eben auch für religiöse Menschen. Man mag die religiösen Ansichten Läderachs für krude und antiquiert halten, ihm deswegen und wegen negativer Presse den Vertrag zu künden ist ein Paradebeispiel für Diskriminierung. Man kann die Diskriminierung eben nicht selektiv für den Glauben seiner Wahl, oder nur bestimmte Rassen oder sexuelle Orientierungen seiner Präferenz anwenden: Entweder sie gilt für alle, oder gar nicht.
Grenzen für Meinungs-, Glaubens- und Gewerbefreiheit
An alle, welche jetzt die Gewerbefreiheit anführen und dass die Swiss frei sei, mit Lieferanten ihrer Wahl zusammen zu arbeiten: Korrekt, aber nicht, wenn der Grund der Kündigung der Zusammenarbeit die religiöse Überzeugung des Lieferanten ist.
Gerade der Fall der Swiss zeigt, wie Weit das Diskriminierung-Gesetz, falls es konsequent angewendet würde, in die eigene Meinungs-, Glaubens- und Handelsfreiheit eingreifen könnte.
Die Verfassung der Schweiz ist in der Sache klar: Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen, alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, niemand darf diskriminiert werden. Weshalb dies dem Gesetzgeber als Grundlage nicht genügt, um Recht zu sprechen, ist mir als Laie schleierhaft. Die Ergänzung des Gesetzestextes um jede Gruppe, die sich benachteiligt fühlt, scheint mir jedenfalls eine höchst unbefriedigende Lösung, zumal dies offensichtlich in der Praxis dann wenig Schutz bietet vor Verlust eines Auftrages, nur weil man seiner religiösen Auffassung Ausdruck verleiht.
Und extensiv für jeden entgangen Auftrag, jede Beleidigung, jede unpassende Bemerkung angewendet, vergiftet sie das gesellschaftliche Klima und erreicht genau das Gegenteil des Beabsichtigten.
Verpasste Chance zu mehr Toleranz
Wie die Swiss zeigt tritt anstelle von Toleranz im Alltag sehr schnell populistische Gefälligkeit. Sie hätte genau hier die Unterstützung der Initiative zeigen und Läderach gegen die Übergriffe verteidigen können: «Wir dulden keine Diskriminierung, auch und gerade dort nicht, wo die persönlichen Überzeugungen des Angegriffenen nicht die unseren sind. Und wir setzen uns für einen besseres Schutz ein für die LGBTIG*-Community durch ein klares Ja zur Ausweitung des Diskriminierungsgesetzes». Statt dessen: Kündigung des Vertrages mit fader Begründung und Diskriminierung des Lieferanten.
Das kann man aushalten oder einklagen (Läderach wird wahrscheinlich das erstere tun und damit mehr Grösse zeigen als die Swiss). Aus gesellschaftlicher Sicht wäre eine andauernde Diskussion um die Gemeinsamkeiten, den Umgang mit anderen Meinungen wünschenswert. Genau das lässt sich aber nicht mit einem Gesetz verordnen. Toleranz ist ein Muskel, der durch tägliche Übung gestärkt wird. Diese Trainingseinheit hat die Swiss verschlafen.