Travail.Suisse warnt vor Mangel an Arbeitskräften
Fehlender Nachwuchs beschleunigt den Fachkräftemangel.
Bern – Zu wenige Pflegefachleute, zu wenige Lehrerinnen und Lehrer, zu wenige Polizisten: Travail.Suisse warnt auf Grund einer Studie vor einem Arbeitskräfte-Notstand. 2030 könnten bis zu 400’000 Stellen nicht besetzt werden, und das beeinträchtige die Lebensqualität.
Grund für den Notstand sei nicht die Überalterung der Gesellschaft, sondern der fehlende Nachwuchs, hiess es an einer Medienkonferenz des Arbeitnehmer-Dachverbands Travail.Suisse am Dienstag in Bern. Um ohne Einwanderung einen Notstand zu verhindern, brauche die Schweiz einen demografie-tauglichen Arbeitsmarkt. Potenzial im Inland besteht laut Travail.Suisse bei Älteren und bei den Frauen. Laut einer Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) könnten etwa die Hälfte der 2030 freien Stellen vergeben werden, wenn sich weniger Menschen frühpensionieren lassen und Frauen vermehrt ausser Haus arbeiten.
2030 mehr als 400’000 unbesetzte Stellen erwartet
Der Verband fordert mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit und auch Verbesserungen in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Konkret heisse das zum Beispiel mehr Ferien, mehr altersgerechte Arbeitsbedingungen für bessere Gesundheit, ein Vaterschaftsurlaub, mehr Teilzeitstellen, Betreuungseinrichtungen für Kinder und die Pflicht zur Weiterbildung. Das Büro BASS untersuchte für die Studie Nachfrage und Angebot an Arbeitskräften sowie die Auswirkungen möglicher Massnahmen. Aufgrund eines realen Wachstums von 1 Prozent und Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung geht BASS von mehr als 400’000 unbesetzten Stellen im Jahr 2030 aus, sofern keine Gegenmassnahmen ergriffen werden. Diese Sicht der demografischen Entwicklung und die Forderungen für Anpassungen hat Travail.Suisse in einem Thesenpapier festgehalten. Dieses soll am 10. September am Kongress von Travail.Suisse von den Delegierten diskutiert und verabschiedet werden.
Zehn-Punkte-Thesenpapier
Travail.Suisse-Präsident Martin Flügel stellte am Dienstag den Medien die zehn Thesen vor. These 1 hält fest, dass der rasche demografische Kollaps nicht eingetroffen sei. Es bleibe Zeit für eine sinnvolle politische Reaktion. Gemäss These 2 hat die Schweiz es nicht mit dem Problem «Überalterung» zu tun, sondern mit einer «Unterjüngung». Bei den Kindern gebe es eine Lücke. Laut These 3 ist nicht die Altersvorsorge das Hauptproblem, sondern der Arbeitsmarkt. Es gehe um Arbeitskräfte, die ganz alltägliche und notwendige Arbeiten erledigten und deren Ausbleiben zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Lebensqualität in der Schweiz führe. Investieren statt sparen, postuliert These 4: Investieren in die Arbeitnehmenden und deren Arbeitsbedingungen, in die soziale Sicherheit, den Service public und die offene Gesellschaft.
Rekrutierung von Arbeitskräften in Europa wird schwieriger
Investieren in die Arbeitnehmenden – so These 5 – heisse deren Gesundheit verbessern durch bessere Arbeitsbedingungen und durch die Reduktion von Stress und Arbeitsbelastung. These 6 verlangt, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit für Frauen und Männer müsse zur Selbstverständlichkeit werden. Laut These 7 ist eine gute Bildungspolitik ein Schlüsselfaktor zur Minderung des Arbeitskräftenotstandes. Bildungspolitik müsse stärker auf tief qualifizierte Arbeitnehmende ausgerichtet werden. These 8 prognostiziert, die Rekrutierung von Arbeitskräften in Europa werde schwieriger. These 9 bezeichnet die Finanzierung der Altersvorsorge als eine bewältigbare Aufgabe. Die zehnte These schliesslich verlangt steigende Löhne in der hauptsächlich staatlichen Care-Ökonomie. (awp/mc/ps)