Bern – Die Schweizer Stimmbürgerinnen und -bürger haben die Vorlage für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub am Sonntag mit einem deutlichen Mehr von 60,3 Prozent der Stimmen gutgeheissen. Am deutlichsten fiel das Ja mit 81,6 Prozent im Kanton Waadt aus. Knapp dahinter lag Genf mit 79,4 Prozent Ja-Anteil.
Die Westschweizer Kantone zeigten sich offener für die Vorlage als die Deutschschweiz. Mehrheiten von über 70 Prozent gab es auch im Jura und in Neuenburg sowie in Basel-Stadt als einzigem Deutschschweizer Kanton. Am geringsten fiel der Ja-Anteil in der Westschweiz mit 60,5 Prozent im Wallis aus.
Abgelehnt wurde der Vaterschaftsurlaub hingegen in der Inner- und in der Ostschweiz. Am wuchtigsten verwarfen die Stimmberechtigten im Kanton Appenzell-Innerrhoden mit 65,3 Prozent Nein-Stimmen die Vorlage. Deutlich fiel das Nein mit 58,3 Prozent auch in Obwalden, gefolgt von Schwyz mit 58, Nidwalden mit 57,1, Uri mit 57 sowie 56,7 Prozent in Glarus aus. Knapper war die Ablehnung im Thurgau mit 50,8 Prozent.
Insgesamt sprachen sich gemäss den Angaben der Kantone 1’933’114 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für und 1’270’551 gegen den Vaterschaftsurlaub aus. Die Stimmbeteiligung lag bei 58,7 Prozent.
Auf zwei Wochen gestutzt
Auslöser für die Abstimmung über den Vaterschaftsurlaub war eine vor drei Jahren eingereichte Volksinitiative. Sie verlangte, dass alle erwerbstätigen Väter mindestens vier Wochen Vaterschaftsurlaub beziehen können und einen Erwerbsersatz erhalten.
Dem Parlament ging das zu weit. Schliesslich setzte sich ein indirekter Gegenvorschlag durch, der einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen vorsieht. Der Bundesrat lehnte sowohl das Volksbegehren als auch den Gegenvorschlag ab, warb im Abstimmungskampf aber wie üblich für den von den Räten verabschiedeten Vorschlag.
Finanziert wird der Vaterschaftsurlaub wie die Mutterschaftsentschädigung über die Erwerbsersatzordnung (EO). Die Entschädigung beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das der Vater vor der Geburt des Kindes erzielt hat, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Laut dem Bund betragen die Kosten insgesamt 230 Millionen Franken pro Jahr.
Der Bundesrat wird die neuen Bestimmungen voraussichtlich bereits per 1. Januar 2021 in Kraft setzen. Konkret geregelt wird der Vaterschaftsurlaub über eine Änderung des Erwerbsersatzgesetzes. Bekämpft wurde die Vorlage von einem Referendumskomitee rund um den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV).
Ruf nach Elternzeit
Bundesrat und Sozialminister Alain Berset sagte, das Volk sei dem Kompromiss gefolgt. Dank des Vaterschaftsurlaubs steige die Attraktivität kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) als Arbeitgeber. Beruf und Familie liessen sich besser einreinen.
Seitens der Befürworter wurde nach dem Sieg der Ruf nach einer Elternzeit lauter. Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travail Suisse, sagte, der Vaterschaftsurlaub sei ein erster Schritt. Mittelfristiges Ziel müsse ein Elternurlaub sein.
Ins gleiche Horn stiess der Schweizerische Gewerkschaftsbund. Ziel müsse eine Familienpolitik sein, welche es Männern und Frauen erlaube, sich gleichberechtigt um Familie und Erwerbseinkommen zu kümmern. Das wollen sich mehrere Organisationen in der nächsten Zeit auf die Fahne schreiben.
SVP, FDP und CVP signalisierten indessen bereits, dass zwei Wochen reichen. Die Gegner der Vorlage bezeichneten den Vaterschaftsurlaub weiterhin als falschen Weg. Das Ja schwäche die Sozialwerke. SGV-Präsident Hans-Ulrich Bigler erklärte, der Urlaub belaste die junge Generation. (awp/mc/pg)