Bern – Die Gewerkschaft Unia macht weiter gegen mangelnde arbeitsrechtliche Absicherungen beim US-Fahrdienstvermittler Uber mobil. Ein juristisches Gutachten bezeichnet den Vertrag zwischen dem globalen Konzern und Uber-Fahrern als normalen Arbeitsvertrag.
Uber sorgt weltweit und auch in der Schweiz regelmässig bei Gewerkschaften und Taxifahrern für rote Köpfe. Ausdruck davon sind zwei nationale Protestaktionen der Taxiunion gegen Uber in den letzten Monaten, die auch von der Gewerkschaft Unia unterstützt wurden.
Uber vermittelt über eine Smartphone-App Transportaufträge zwischen Kunden und Fahrern. Die Gewerkschaft kritisiert, dass Uber die Fahrer nicht als Arbeitnehmende anerkennt und folglich auch keine Sozialversicherungsleistungen bezahlt.
Normaler Arbeitsvertrag
Für die Unia ist Uber aber «ein normaler Arbeitgeber wie viele andere und die Fahrerinnen und Fahrer sind Arbeitnehmende wie viele andere», wie Unia-Präsidentin Vania Alleva am Montag vor den Medien in Bern erklärte.
Schützenhilfe erhält die Gewerkschaft vom Basler Arbeits- und Sozialversicherungsrechtler Kurt Pärli. In einem über dreissig Seiten umfassenden und im Auftrag der Unia verfassten Gutachten kommt er zum Schluss, dass zwischen Uber International respektive deren Tochter Rasier Operations und den Uber-Fahrern ein Arbeitsvertrag besteht.
Das wichtigste Kriterium für diese Feststellung sieht Pärli im Vorliegen von persönlichen, betrieblichen und wirtschaftlichen Unterordnungsverhältnissen. Indizien für ein Anstellungsverhältnis sind dabei unter anderem, dass Uber-Fahrer gegenüber ihren Fahrgästen nicht in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handeln und die Tarife vorgegeben sind. Ausserdem tragen die Fahrer kein Unternehmerrisiko und unterliegen umfangreichen Weisungen bei der Auftragserfüllung.
Die Tätigkeit der Uber-Fahrer sei eine unselbständige Erwerbstätigkeit, auch im Lichte der bisherigen Rechtssprechung, betonte Pärli vor den Medien. Daher seien die gesetzlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge für AHV, IV, EO etc. von Uber geschuldet.
Laut Pärli gilt für die sozialversicherungsrechtliche Prüfung Schweizer Recht, da hier Einkommen in der Schweiz erzielt werde. Als sehr problematisch sieht Pärli die Rechtswahl- und Schiedsklausel im Vertrag zwischen Uber und seinen Fahrern an.
Bei allfälligen Streitigkeiten gilt nämlich Amsterdam als Ort des Schiedsverfahrens. Pärli sieht gewichtige Gründe das Schweizer Gerichte diese Klausel für ungültig erklären sollten. Andere globale Konzerne könnten ansonsten eine ähnliche Klausel vorsehen.
Von einer «Rückkehr des Tagelöhnertums als Arbeitsverhältnis» spricht Roman Künzler, Verantwortlicher Dienstleistungen bei der Unia in der Nordwestschweiz. Das Uber-Geschäftsmodell sorge für die Ausbreitung von Scheinselbständigkeit mit einem Tiefstlohn ohne Sicherheit und Schutz vor Krankheit, Unfall und Alter.
Der Gewerkschafter kritisierte das Geschäftsmodell als bewusste Umgehung von bestehenden Gesetzen. Zudem würden Taxifahrerende, die zum Teil seit Jahrzehnten ein öffentlich reguliertes Gewerbe betrieben, in den Ruin getrieben.
Rechtliche Schritte möglich
Künzler wertet das Rechtsguthaben als klare Aufforderung an die kantonalen und nationalen Behörden, die Gesetze zu vollziehen und das Geschäftsmodell von Uber so lange zu verbieten, bis es demokratisch entstandene Gesetze respektiere.
Die Gewerkschaft ist, wie Unia-Präsidentin Alleva erklärt, bereit die Interessen der Uber-Fahrer gerichtlich durchzusetzen, aber diese müssten bereit sein, zu klagen. Das sei eine grosse Hürde, aber man sei im Gespräch mit Arbeitnehmenden.
Wie Unia-Sekretärin Natalie Imboden feststellt, wird die Abrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen auf den Löhnen der Uber-Fahrer im Moment durch die AHV-Ausgleichskassen und die SUVA geprüft. Für den Vollzug seien die kantonalen Strassenverkehrsämter zuständig und das Bundesamt für Strassen (Astra) habe die Oberaufsicht. Unia will die Behörden über das Gutachten informieren.
Ubert kritisiert Gutachten
Uber stellt in einer kurzen Stellungsnahme vom Montag fest, dass Gutachten basiere auf einer Reihe unkorrekter Annahmen und bringe keine überzeugenden Argumente zur Frage nach dem Status der Fahrer. Laut Raoul Jalali, Vertreter von Uber in der Schweiz, messe die Gewerkschaft mit zweierlei Mass, wenn sie toleriere, dass die grössten Taxi-Zentralen in Zürich oder Genf keinen einzigen Fahrer anstellten.
Uber und der Konkurrenzkampf um Taxidienste werden auch in Zukunft die Gemüter erhitzen. Ende Juni nahm der Nationalrat stillschweigend eine Motion an, die verlangt, dass die Regeln für berufsmässige Personentransporte an die neuen Technologien angepasst werden und gleichlange Spiesse für die Taxifahrer eingeführt werden. Die speziellen Verordnungen über Arbeits- und Ruhezeit für Taxifahrer entsprechen laut der Motion nicht mehr den aktuellen Anforderungen.
In einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) von Ende Mai hatte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann erklärt, dass er die Sorgen der Taxibetreiber verstehe, aber es aussichtslos sei, sich dem technologischen Wandel entgegenzustellen. Die Plattform Uber werde sich auch in der Schweiz durchsetzen.
Der Staat werde die Rahmengesetzgebung so gestalten, dass die Marktteilnehmenden wüssten, woran sie seien, sagte Schneider-Ammann weiter. Er strebe nicht zusätzliche Gesetze an. Im Gegenteil, der grösstmögliche Freiraum sei das Ziel, um Innovationen zu ermöglichen und Arbeitsplätze zu sichern. Wie eine Sprecherin des Bundespräsidenten am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda erklärte, gelten diese Aussagen weiterhin. (awp/mc/ps)