Zürich – Die Ökonomen der UBS haben zwar die Inflationsprognose für das laufende Jahr leicht gesenkt. Die Risiken seien aber nicht gebannt, betonen sie. Selbst Horrorszenarien seien «nicht mehr undenkbar».
Für 2023 erwarten die Experten der Grossbank nur noch eine durchschnittliche Jahresteuerung von 2,2 statt 2,5 Prozent, wie sie am Mittwoch mitteilten. Für 2024 wird unverändert eine Teuerung von 1,7 Prozent vorhergesagt.
Zur Erinnerung: Im Juni ist die Inflation hierzulande erstmals seit Monaten unter der 2-Prozent-Schwelle gefallen, welche gemeinhin als Obergrenze für Preisstabilität gilt. Dazwischen war sie zeitweise bis auf 3,5 Prozent in die Höhe geschnellt.
Für die UBS-Experten ist es für eine Entwarnung trotzdem zu früh. Die Inflationsrisiken seien keineswegs gebannt, meinen sie. «Grundsätzlich ist im nächsten Jahrzehnt mit einem höheren Inflationsdruck zu rechnen», sagte UBS-Ökonom Alessandro Bee an einer Telefonkonferenz. Es seien Werte zwischen 1 und 1,5 Prozent zu erwarten.
Mieten sind ein Grund
Ein Grund dafür sind die Mieten, welche wegen der sich abzeichnenden Referenzzinssatzerhöhungen steigen werden. Es sei mittelfristig mit zwei weiteren Erhöhungen beim Referenzzinssatz zu rechnen, sagte Florian Germanier, ebenfalls Ökonom bei der Grossbank. Die nächste erwartet er frühestens Ende 2023, eine weitere frühestens Ende 2024.
Weitere Gründe für die «strukturell höhere Inflation» sind laut Bee der demografische Wandel, welcher in der Tendenz zu höheren Löhnen führe, und die Reorganisation der Lieferketten.
Wegen der Engpässe nach der Covid-Pandemie werden demnach nun Produktionskapazitäten an teureren Orten aufgebaut. «Diese zusätzlichen Kosten wollen die Firmen weitergeben.» Ein möglicher Inflationstreiber sei auch die Umstellung auf erneuerbare Energien.
Umgekehrt wäre ein technologischer Quantensprung und in der Folge ein Produktivitätsfortschritt ein möglicher Inflationsdämpfer. Laut Bee zeigt jedoch die Vergangenheit, dass solche Effekte eher über- als unterschätzt werden.
SNB ist gefordert
Daher werde die höhere Inflation die Schweizerische Nationalbank (SNB) wohl «anhaltend fordern», meint Bee. Sie müsse wohl den Leitzins mit Werten um die 1 Prozent deutlich höher ansetzen als im letzten Jahrzehnt.
Zunächst sei aber im September nochmals mit einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf 2 Prozent zu rechnen. Danach werden die Währungshüter gemäss dieser Prognose den Leitzins stabil halten, eine erste Senkung sei dann im zweiten Semester 2024 möglich.
Horrorszenario nicht mehr undenkbar
Als «unwahrscheinlich, aber inzwischen nicht mehr undenkbar» bezeichnete Bee das Risiko einer Entgleisung der Inflations- und Zinsentwicklung. Dieses würde sich realisieren, wenn der Druck der Inflation stark ausfiele und die SNB sie nicht mehr unter die 2-Prozent-Marke zurückbringen könne.
Der UBS-Experte erinnerte an das Ende der 1980er-Jahr, als die Inflation auf über 6 Prozent stieg. Der SNB sei es erst Mitte der 1990er-Jahre gelungen, die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen – zum Preis einer langen Rezession sowie einer Immobilienkrise.
Umgekehrt sei auch eine Rückkehr zur Tiefzinsphase nicht völlig ausgeschlossen, so Bee. Eine Voraussetzung dafür wäre laut dem Experten aber eine tiefe Rezession wie nach der Finanzkrise.
BIP-Prognosen bestätigt
Davon gehen die UBS-Ökonomen in nächster Zeit nicht aus. Sie bestätigten am Mittwoch ihre Prognosen für das Schweizer Wirtschaftswachstum in den Jahren 2023 und 2024.
So erwarten sie für 2023 nach wie vor ein unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent. Und für 2024 gehen sie weiterhin von einem Wachstum von 1,3 Prozent aus. Beide Werte liegen zwar unter dem langfristigen Trend. «Von einer Rezession sind wir aber weit entfernt», so Experte Germanier. (awp/mc/ps)