Bern – Die Pensionskassenreform steht. Das Parlament hat die Vorlage am Freitag in der Schlussabstimmung verabschiedet – der Nationalrat mit 113 zu 69 Stimmen bei 15 Enthaltungen, der Ständerat mit 29 zu 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Eine Volksabstimmung gilt als sicher.
Das Parlament diskutierte die BVG-Reform in den vergangenen 15 Monaten während Dutzenden Stunden. Dazu kamen ellenlange Debatten in den vorberatenden Kommissionen. Nun verabschiedete das Parlament die Änderungen beim Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge.
Mit der sogenannten Reform BVG 21 soll die berufliche Vorsorge für die Zukunft fit gemacht werden. Grund dafür ist, dass die Pensionskassen wegen der Überalterung der Gesellschaft zuletzt mehr Geld für die Finanzierung der laufenden Renten aufwenden mussten, als zuvor von Arbeitgebern und Angestellten angespart worden war.
Dies führt zu einer Umverteilung von den Erwerbstätigen zur Rentnergeneration. Breiter Konsens im Parlament bestand, dass dies geändert werden muss – etwa durch eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent, was eine Rentenkürzung bedeutet. Wie diese Leistungseinbusse kompensiert werden soll, war und bleibt aber umstritten.
Geld für Hälfte der Übergangsgeneration
Das Parlament einigte sich darauf, dass nach der Senkung des Umwandlungssatzes 15 Jahrgänge ein Teil der Übergangsgeneration lebenslang einen Rentenzuschlag auf der beruflichen Vorsorge erhalten soll. Rund die Hälfte dieser Generation soll davon profitieren.
Wer zum Zeitpunkt der Pensionierung über ein Altersguthaben von 215’100 Franken oder weniger verfügt, soll Anrecht auf den vollen Zuschlag haben. Für Altersguthaben zwischen 215’100 und 430’200 Franken soll es einen degressiven Zuschlag geben. Wer mehr Guthaben hat, erhält keine Kompensation.
Der Bundesrat schlug gemäss dem sogenannten Sozialpartner-Kompromiss einen Zuschlag während 15 Jahren nach Umsetzung der Reform von gestaffelt 100 bis 200 Franken pro Monat vor. Das Parlament wollte von diesem Kompromiss aber nichts wissen.
Massnahmen für Teilzeitarbeitende
Geeinigt haben sich die Räte auch in der Frage, auf welchem Teil des Lohns künftig Pensionskassenbeiträge bezahlt werden müssen. Neu soll kein fixer Koordinationsabzug mehr gelten. Stattdessen sollen immer 80 Prozent des jeweiligen Lohns versichert sein. Die neue Lösung soll nach Ansicht der Mehrheit die geringer verdienenden Teilzeitarbeitenden – das sind oft Frauen – besserstellen.
Geeinigt hat sich das Parlament auch auf eine neue Eintrittsschwelle in die berufliche Vorsorge. Diese besagt, für wen überhaupt eine Pensionskasse geführt werden muss. Derzeit liegt sie bei einem Jahreslohn von 22’050 Franken. Neu sind es 19’845 Franken.
Mit der Senkung sollen Teilzeit- und Mehrfachangestellte bessergestellt werden. Mit der vom Parlament beschlossenen Version werden rund 70’000 Arbeitnehmende neu und zusätzlich 30’000 Einkommen obligatorisch besser versichert. Das kostet rund 100 Millionen Franken, die Verwaltungskosten belaufen sich dabei auf geschätzt 15 bis 25 Millionen Franken.
Kritik von verschiedener Seite
Diese Vorlage ist in den Augen einer bürgerlichen Mehrheit zielgerichtet und mehrheitsfähig, wie in den vergangenen Wochen verschiedentlich zu hören war. Anders sieht das die Ratslinke: Sie droht seit längerem mit einem Referendum, weil die Reform aus ihrer Sicht eine «Abbauvorlage» ist. Sie wollte zum ursprünglichen Sozialpartnerkompromiss zurückkehren – war damit aber erfolglos.
Auch Sozialminister Alain Berset gab zu bedenken, dass im Zusammenhang mit der AHV-Abstimmung im vergangenen Jahr verschiedene Versprechen abgegeben worden seien. Mit der nun gewählten Lösung erhalte die Hälfte der Betroffenen keine Kompensation.
Referendum sicher
Über die Vorlage wird dereinst das Volk abstimmen. Dass ein Referendum gegen die BVG-Reform zustande kommt, steht ausser Frage.
Spannend sein wird auch, ob im Abstimmungskampf auch Bürgerliche an der Seite der Linken gegen die Vorlage kämpfen werden. Unter anderem der Schweizer Bauernverband hat bereits durchblicken lassen, dass er mit der Reform nicht zufrieden ist. Die Kosten für die Landwirtschaft seien «nicht mehr tragbar». (awp/mc/pg)