Umstrittene Vorschläge zur Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative
(Foto: zweitwohnungsinitiative.ch)
Bern – Die Annahme der Zweitwohnungsinitiative im März 2012 hat Berg- und Tourismuskantone auf dem falschen Fuss erwischt. Das Parlament versucht nun, das grundsätzliche Bauverbot so schonend wie möglich umzusetzen. Im Nationalrat, wo die Vorlage morgen Dienstag beraten wird, stehen weitere Ausnahmen zur Diskussion.
Dabei hat es schon der Ständerat nicht so genau genommen mit dem Anliegen der Initiative, dem Bau neuer Zweitwohnungen einen Riegel zu schieben. Seine Beschlüsse fielen letztes Jahr so grosszügig aus, dass Raumplanungsministerin Doris Leuthard in der Debatte warnte, man befinde sich nun auf «verfassungsrechtlich dünnem Eis».
Eine der umstrittensten Ausnahmen betrifft den Bau von touristisch bewirtschafteten Wohnungen. Dazu haben auch die Initianten ihren Teil beigetragen: Vor der Abstimmung liessen sie verlauten, die Initiative richte sich gegen «kalte Betten», kommerziell genutzte Ferienwohnungen könnten weiterhin gebaut werden.
Der Bundesrat nahm das Komitee beim Wort und schlug vor, dass auch in Gemeinden mit mehr als 20% Zweitwohnungen touristisch bewirtschaftete Wohnungen gebaut werden dürfen. Als solche gelten zum Beispiel Wohnungen, die regelmässig auf einer Vertriebsplattform zur Vermietung ausgeschrieben werden.
Fragezeichen bei Durchsetzung
Dass ein Airbnb-Inserat ausreichen könnte für eine Ausnahme vom Bauverbot für Zweitwohnungen, ist für die Initianten inakzeptabel. Der Ständerat stimmte dem Vorschlag dennoch zu. Die nationalrätliche Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) möchte sogar noch weiter gehen: Sie schlägt vor, dass touristisch bewirtschaftete Wohnungen gar nicht als Zweitwohnungen gelten.
Diese sollen im Wohnungsinventar als Erstwohnungen geführt werden. Weil dadurch der Zweitwohnungs-Anteil einer Gemeinde sinkt, entsteht unter Umständen wieder Spielraum für den Bau neuer kalter Betten. Das mag mit dem Wortlaut der Initiative vereinbar sein. Ob damit auch dem Volkswillen Genüge getan wird, ist umstritten.
Grosszügige Erweiterung
Es ist nicht die einzige Ausnahme, die auf die Bedürfnisse der besonders betroffenen Kantone zugeschnitten ist. Obwohl die Initiative den Bau von Zweitwohnungen auch flächenmässig beschränkt, will der Ständerat die Erweiterung bestehender Wohnungen um 30%, maximal aber um 30 Quadratmeter, erlauben.
Damit soll der Bau zusätzlicher Nasszellen oder eines Lifts ermöglicht werden. Die Nationalratskommission stimmt dem Vorschlag zu. Die flächenmässige Begrenzung auf 30 Quadratmeter hingegen will sie mit Verweis auf die Bedürfnisse der «Bevölkerung von heute» fallen lassen.
Bestehendes umnutzen
Auch die Umnutzung von Hotels, die nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können, will sie anders regeln als die kleine Kammer: Wie es der Bundesrat vorgeschlagen hatte, sollen in bestehenden Gebäuden neue Zweitwohnungen entstehen dürfen. Der Ständerat hatte diese Möglichkeit der Umnutzung aus der Vorlage gestrichen, um falsche Anreize zu vermeiden.
Dafür hatte er eine zusätzliche Überlebenshilfe für Hotels ins Gesetz aufgenommen: Diese sollen neue Zweitwohnungen nicht nur zum Verkauf, sondern auch zur Vermietung bauen dürfen, falls sie nur dank dieser Querfinanzierung weiter existieren können. Dem stimmte die Nationalratskommission zu, gleichzeitig will sie aber auch die Möglichkeit der Umnutzung wieder ins Gesetz aufnehmen.
Die übrigen Entscheide des Ständerats möchte die Kommission weitgehend übernehmen. Beispielsweise sollen nicht nur in geschützten, sondern in allen «erhaltenswerten» Gebäuden neue Zweitwohnungen gebaut werden dürfen. Dadurch würde insbesondere die Umnutzung von Gewerbeliegenschaften und Landwirtschaftsgebäuden in Dorfkernen möglich, wobei Kantone und Gemeinden grosse Freiheiten hätten.
Drohendes Referendum
Nach Ansicht der Initianten wird mit dieser Umsetzung der Volkswille missachtet. Sie erwägen darum, das Referendum gegen das Gesetz zu ergreifen.
Die Nationalratskommission will das Gesetz allerdings dringlich in Kraft setzen. Ihrer Meinung nach herrscht seit der vorläufigen Umsetzung der Initiative durch den Bundesrat ein faktisches Bauverbot, das es möglichst rasch aufzuheben gilt. Die Dringlichkeit würde dazu führen, dass Baugesuche gestützt auf die neue Rechtsgrundlage rechtskräftig bewilligt werden könnten, selbst wenn das Gesetz später vom Volk abgelehnt würden.
Eine Minderheit der Kommission möchten die Vorlage an den Bundesrat zurückschicken. Sie verlangt, dass ein neuer Ansatz erarbeitet wird, um das Problem der Zweitwohnungen in den Griff zu bekommen. Eine andere Minderheit will mit der Vorlage einen vom Bundesgericht definierten eng gefassten Zweitwohnungsbegriff durchsetzen. (awp/mc/ps)