Bern – Sechs Monate nach dem Nein des Stimmvolks zum CO2-Gesetz nimmt der Bundesrat einen neuen Anlauf in der Klimapolitik. Nun will er konkret dort investieren, wo es die Bevölkerung zu einem klimafreundlichen Verhalten animiert – also etwa in Ladestationen für E-Autos und Gebäudesanierungen. Auf neue Abgaben verzichtet die Regierung wie erwartet.
«Das Gesetz trägt eine klare Handschrift», sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga am Freitag bei der Vorstellung des neuen Entwurfs. Der Bundesrat habe seine Lehren gezogen aus der im Juni an der Urne gescheiterten Vorlage. Die Bevölkerung solle nicht das Gefühl haben, dass sie mit der Klimapolitik bestraft werde – und man könne auch nicht verlangen, dass sich alle mit einem Elektroauto eine eigene Ladestation bauen könnten. Es brauche staatliche Unterstützung und sinnvolle Anreize. Das sei der Kern dieser neuen Vorlage, sagte Sommaruga.
An der abgelehnten Vorlage war unter anderem kritisiert worden, dass die Bevölkerung etwa mit höheren Benzinpreisen für die Klimapolitik aufkommen müsse. Die nun vorgestellte Revision verzichtet wie angekündigt auf neue Abgaben. Stattdessen sollen Anreize geschaffen werden, sodass die Bevölkerung klimaneutraler leben kann. Zudem sollen bestehende Fehlanreize eliminiert werden.
Geld fliesst an Bevölkerung zurück
Was bestehen bleibt, ist die CO2-Abgabe, die auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas erhoben wird. Sie bleibt bei 120 Franken pro Tonne CO2 und bringt der Schweiz wichtige Einnahmen, die nun gezielter eingesetzt werden sollen. Neu soll die Hälfte der Gelder an die Bevölkerung zurückverteilt werden. Bisher war dies bei einem Drittel der Fall. Damit sollen etwa jene unterstützt werden, die ihre Gas- und Ölheizungen durch erneuerbare Systeme ersetzen.
Potenzial ist durchaus vorhanden: Es gebe noch etwa 900’000 klimaschädliche Heizungen, sagte Sommaruga. «Wenn wir das Netto-Null-Ziel erreichen wollen, müssen wir sicherstellen, dass es keine Gas- und Ölheizungen mehr gibt.» Mit der Vorlage könne der Bund zwischen 2025 und 2030 gesamthaft 2,9 Milliarden Franken in diesem Bereich bereitstellen.
Der Bundesrat will zudem sicherstellen, dass bis 2030 jährlich zusätzlich vierzig Millionen Franken garantiert zur Verfügung stehen. Damit will er verhindern, dass Geld fehlt, wenn die Einnahmen aus den CO2-Abgaben sinken, wenn weniger CO2 verbraucht wird. Das sei wichtig für die Sicherheit der Sanierenden, sagte Sommaruga.
Ladestationen für E-Autos im ganzen Land
Zudem sollen in Mehrparteiengebäuden, in Betrieben und auf öffentlichen Parkplätzen Ladestationen für E-Autos gebaut werden. Rund dreissig Prozent aller neu zugelassenen Autos seien E-Autos, sagte Sommaruga. Für den Ausbau der Ladestationen sind insgesamt rund 210 Millionen Franken vorgesehen.
Ein Teil dieser Gelder soll aus den Sanktionen kommen, die Autoimporteure bezahlen müssen, wenn sie die CO2-Vorgaben nicht erreichen. Damit zeigt sich eine weitere Neuerung gegenüber der Vorlage vom Sommer: Der Bundesrat will sektorspezifisch investieren und etwa Gelder, die aus dem Fahrzeugsektor kommen, wieder im Fahrzeugsektor investieren.
Der Bundesrat will auch Fehlanreize ausmerzen. Heute sind etwa Dieselbusse steuerlich privilegiert. «Man muss sich das mal vorstellen – in der heutigen Zeit», sagte Sommaruga. Dieses Privileg soll aufgehoben werden. Die daraus gewonnenen Einnahmen sollen in fossilfreie Busse im Orts- und Regionalverkehr investiert werden. Der Bund rechnet für die fünf Jahre mit rund neunzig Millionen Franken. Gefördert werden soll auch der Zugverkehr ins Ausland inklusive Nachtzüge mit maximal dreissig Millionen Franken pro Jahr.
Wie ebenfalls erwartet sollen die Anbieter von Flugzeugtreibstoffen dem in der Schweiz getankten Kerosin künftig erneuerbare Flugtreibstoffe beimischen müssen. Zudem sollen innovative Firmen unterstützt werden, die Pilotanlagen zur Herstellung von erneuerbaren Flugtreibstoffen machen. Dafür sind jährlich rund 25 bis dreissig Millionen Franken vorgesehen. Beim Finanzsektor, der insbesondere von der Klimajugend ins Visier genommen wurde, sieht der Bundesrat Berichterstattungspflichten über Klimarisiken vor.
Kritik schon bei Bekanntgabe
Der Bundesrat hat also den Turbo gezündet. Umweltministerin Sommaruga ist innert sechs Monaten mit neuen Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten. Das Gesetz knüpft dabei an das geltende CO2-Gesetz an, welches das Parlament in der Wintersession um ein Jahr verlängert hat. Ziel ist weiterhin die Halbierung des CO2-Ausstosses gegenüber jenem von 1990 sowie einen Netto-Null-Ausstoss bis 2050. Die Vernehmlassung dauert bis am 4. April 2022.
Erste Reaktionen gab es noch am Tag der Veröffentlichung. Für die Grünen und die SP sind die Massnahmen ungenügend, die Grünen bezeichnen sie gar als «mutlos», wie die Parteien in Mitteilungen schrieben. Die SP plant gemäss eigenen Angaben eine Initiative, mit welcher durch einen Klimafonds die Treibhausgase reduzieren werden sollen. (awp/mc/pg)