BKW-Chefin Suzanne Thoma. (Foto: BKW)
Bern – 2019 soll erstmals in der Schweiz ein AKW vom Netz genommen werden. Die Mühleberg-Betreiberin BKW hat bekanntgegeben, die Atomstromproduktion in sechs Jahren einzustellen. Der Entscheid habe wirtschaftliche Gründe und sei nicht mit den Behörden abgesprochen.
«Es gibt keine Verhandlungen mit dem ENSI», sagte BKW-Chefin Suzanne Thoma am Mittwoch vor den Medien in Bern. Der Beschluss sei absolut eigenständig erfolgt. Der wichtigste Grund, das AKW Mühleberg 2019 abzustellen, seien die tiefen Strompreise. Es handle sich deshalb «um einen unternehmerischen, nicht politischen Entscheid». Dieser sei getroffen worden, weil die wirtschaftlichen Chancen eines Langfristbetriebs die wirtschaftlichen Risiken nicht mehr rechtfertigten. Wann und ob sich die tiefen Strompreise wieder erholten, sei nicht abzusehen.
BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche nannte als zweitwichtigsten Grund für den Ausstieg dann aber doch politische Gründe. Mit verschiedenen kantonalen und nationalen Initiativen zur Begrenzung der Betriebsdauer von Kernkraftwerken bestehe ein «latentes Risiko einer ungeplanten Ausserbetriebnahme». Dies stelle wiederum ein grosses finanzielles Risiko dar.
Regulatorische Aspekte
Als dritten Grund für den «schwierigen Entscheid» nannte Gasche regulatorische Aspekte. Die Auflagen des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) hätte Kosten zur Folge gehabt, deren Amortisation in der Restlaufzeit des Kernkraftwerks Mühleberg nicht garantiert gewesen wäre.
«Reiner Unternehmensentscheid»
Der Abschalttermin war nicht mit den Bundesbehörden abgesprochen, wie diese auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda bestätigten. «Dies ist ein reiner Unternehmensentscheid», sagte Dominique Bugnon, Informationschef des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Auch das Bundesamt für Energie (BFE) sei im Vorfeld nicht über den Abschalttermin informiert gewesen, sagte Sprecherin Marianne Zünd auf Anfrage. «Der Entscheid hat keine Auswirkungen auf die anderen Schweizer AKW.»
Im Fall von Mühleberg werde nun zusammen mit der Betreiberin ein normales Verfahren für die Stilllegung in Gang gesetzt. Dieses sei im Kernenergiegesetz geregelt. Als Erstes werde das ENSI eine Einschätzung der technischen Anforderungen vornehmen.
Noch nicht abgesegnet
Es bestehe eine Unsicherheit, dass das ENSI den BKW-Plänen fürs AKW Mühleberg zustimme, sagte BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche. Weil die BKW aber jetzt nicht mehr – juristisch gesprochen – einen Langzeitbetrieb anstrebt, entfallen laut Gasche und Thoma gewisse Forderungen, welche das ENSI im Dezember des vergangenen Jahres aufstellte.
Geplant ist eine billigere Verbesserung der Kühlwasserversorgung und eine Verbesserung der Brennelement-Lagerbeckenkühlung. Für ausserordentliche Nachrüstmassnahmen will die BKW 15 Mio CHF aufwenden. Bisher hiess es, für die Sicherstellung des Langzeitbetriebs seien Investitionen für einen dreistelligen Millionenbetrag nötig.
Thoma und Gasche betonten am Mittwoch bei der Erklärung des Ausstiegsentscheids vor den Medien, das AKW Mühleberg erfülle alle Sicherheitsanforderungen. Es liege über dem gesetzlich geforderten Niveau.
Neue Planung erforderlich
Das ENSI erwartet nach dem Entscheid der BKW eine neue Nachrüstplanung für die verbleibende Restlaufzeit. Die Aufsichtsbehörde wird diese Planung prüfen und dazu Stellung nehmen. Die Sicherheitsmarge müsse bis zum letzten Betriebstag eingehaltenwerden. Die Stilllegung solle vorbereitet werden.
Mit dem Entscheid des BKW-Verwaltungsrates existiere nun endlich eine verbindliche Grundlage für die Planung der Restlaufzeit des AKW Mühleberg. Das hielt ENSI-Direktor Hans Wanner in einer schriftlichen Stellungnahme fest.
Drittältestes AKW
Das Kernkraftwerk Mühleberg produziert seit 1972 Strom. Es ist damit das drittälteste Kernkraftwerk der Schweiz nach jenen von Beznau I und II. Diese gingen 1969 und 1971 in Betrieb.
Alle fünf Kernkraftwerke in der Schweiz verfügen über eine unbefristete Betriebsbewilligung – das Kernkraftwerk Mühleberg seit März dieses Jahres. Das Bundesgericht stützte damals einen entsprechenden Entscheid des Energiedepartements UVEK von 2009.
Die Aktien BKW notieren kurz vor 12.00 Uhr 2,3% im Plus, während der SPI-Gesamtmarkt um 0,48% zulegt. (awp/mc/pg)