Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Brüssel – Die 28 EU-Finanzminister werden am kommenden Dienstag an ihrer Sitzung in Brüssel beschliessen, der Schweiz für das Abschaffen von fünf von der EU als schädlich eingestuften Unternehmenssteuerregimes mehr Zeit zu geben. Dies geht aus einem Papier hervor, das der Nachrichtenagentur sda vorliegt.
Die Mitgliedstaaten «laden die EU-Kommission dazu ein, den Dialog mit der Schweiz bis zum 30. Juni 2014 fortzuführen und abzuschliessen», heisst es in der Schlussfolgerung der EU-Finanzminister. Ziel sei es, wie bereits 2012 beschlossen, mit der Schweiz eine Einigung «über die Anwendung der Prinzipien und Kriterien des Kodes» zu erreichen, steht im dazugehörigen Bericht der für die Unternehmensbesteuerung zuständige Arbeitsgruppe der EU-Mitgliedstaaten. Diese bezieht sich dabei auf den so genannten EU-Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung.
Kein Verständnis für Schweizer Forderung nach Verzicht auf Gegenmassnahmen
Positiv wird im Bericht zur Kenntnis genommen, dass die Schweiz bereit ist, «die fünf identifizierten Steuerregimes» abzuschaffen. Auf wenig Verständnis stösst hingegen die Schweizer Forderung, bereits während des laufenden Gesetzgebungsprozesses auf Gegenmassnahmen zu verzichten. Dies wird als «inakzeptabel» bezeichnet. Erst wenn die beanstandeten Regimes ersetzt seien, sollten die EU-Mitgliedstaaten definitiv auf Gegenmassnahmen verzichten. Grund dafür dürften die Bedenken gewisser EU-Staaten sein, dass aufgrund des komplizierten Schweizer Systems die Umsetzung der Unternehmenssteuerreform «zu lange» dauern könnte.
Fünf kritisierte Steuerregimes
Für die EU gelten fünf in der Schweiz angewandte Steuerregimes als diskriminierend, da diese Unternehmensgewinne von in- und ausländischen Firmen unterschiedlich besteuern. Auf kantonaler Ebene sind dies Holding-, Verwaltungsgesellschaften und gemischte Gesellschaften; auf Bundesebene sind es Prinzipalgesellschaften und Swiss Finance Branch.
Ende Jahr will der Bundesrat einen Schlussbericht zur Unternehmenssteuerreform III präsentieren. Vorgesehen sind neue Steuererleichterungen, die als EU-kompatible Alternative zu den kritisierten Steuerregimes gelten, mit welchen bevorzugte Firmen in der Schweiz gehalten werden sollen.
Patent-Boxen unter der Lupe
Eine der EU-kompatiblen Alternativen, die in der Schweiz diskutiert wird, ist die Patent- oder Lizenz-Box. Dabei werden Gewinne aus der Verwertung von geistigem Eigentum wie Lizenzen oder Patenten tiefer besteuert als andere Gewinne. Doch auch hier will die EU ein Auge drauf halten.
So sollen «alle Patent-Boxen in der EU» geprüft werden, ob sie dem «Prinzip der Gleichbehandlung» entsprächen, heisst es in der Schlussfolgerung. Dabei müssten internationale Entwicklungen wie etwa das Projekt gegen die Aushöhlung des Steuersubstrats und die Gewinnverschiebung (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) berücksichtigt werden.
Bereits in den letzten Monaten hatte die Arbeitsgruppe die Patent-Boxen von Zypern, Belgien und Grossbritannien unter die Lupe genommen. In der Schlussfolgerung wird eine vertiefte Diskussion dazu verlangt. (awp/mc/pg)