EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta. (Copyright: Europäische Union)
Brüssel – Der seit 2005 schwelende Steuerstreit zwischen der Schweiz und der EU um fünf von der EU kritisierte Unternehmenssteuer-Regime ist beendet: Die EU-Finanzminister haben am Freitag in Luxemburg einer Erklärung mit der Schweiz zugestimmt. «Im Rahmen des seit 2012 geführten Dialogs konnte nun zwischen der Schweiz und der EU eine gemeinsame Verständigung erzielt werden», schrieb der Bundesrat in einem Communiqué in Reaktion auf den Entscheid der EU-Finanzminister.
EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta bezeichnete das Ergebnis vor den Medien als Erfolg. «Unsere Bemühungen um einen fairen Steuerwettbewerb haben Früchte getragen, selbst über die Grenzen der EU hinaus.»
Gemäss Bundesrat enthält die gemeinsame Erklärung zwar «keine staatsvertraglichen Verpflichtungen». Doch stimmt die Schweiz darin zu, die kritisierten Regime abzuschaffen. Dies wird sie im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III tun. Ein entsprechendes Reformpaket soll nach den Sommerferien in die Vernehmlassung. «Neue steuerliche Massnahmen sollen an internationalen Standards ausgerichtet sein», schreibt der Bund weiter.
Tür für neue Sanktionen offen
Als Gegenleistung wird der Schweiz zugestanden, dass die heute bestehenden Gegenmassnahmen – etwa von Italien – aufgehoben werden, wenn die beanstandeten Regime abgeschafft sind. Die EU-Staaten behalten sich jedoch vor, erneut Sanktionen gegen die Schweiz zu ergreifen, falls diese neue, in ihren Augen schädliche Steuerregime einführen wird. Dies haben sich die EU-Länder in letzter Minute in einer EU-internen, nicht veröffentlichten Zusatzerklärung ausbedungen.
Damit ist der Weg nun frei, die gemeinsame Erklärung zu paraphieren und in einem nächsten Schritt definitiv zu unterzeichnen. Parallel dazu werde sich die Schweiz zudem «weiterhin innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aktiv an den Arbeiten zur Entwicklung internationaler Standards für die Unternehmensbesteuerung beteiligen», schreibt der Bund.
Fünf kritisierte Regime
Bei den beanstandeten Regimen handelt es sich um die Besteuerung von Holding- und Verwaltungsgesellschaften sowie von gemischten Gesellschaften auf kantonaler Ebene. Auf Bundesebene stehen die Prinzipalgesellschaften und «Swiss Finance Branch» in der Kritik. Bei einer Prinzipalgesellschaft ist der Sitz des Unternehmens in der Schweiz und die Betriebsstätten im Ausland, die „Swiss Finance Branch“ funktioniert genau umgekehrt.
Gemeinsam ist diesen Steuerregimen, dass Einkünfte aus ausländischen Quellen gegenüber jenen aus dem Inland tiefer besteuert werden (so genanntes „ring-fencing»). Für die EU sind sie daher «wettbewerbsverzerrend».
Patentbox-Systeme unter der Lupe
Auch innerhalb der EU will die EU-Kommission «schädliche Steuerpraxen» unterbinden. Im Auge hat Brüssel dabei so genannte Patent- oder Lizenz-Boxen. Hierbei werden Erträge aus der Verwertung von geistigem Eigentum privilegiert besteuert. Je nachdem, wie diese Boxen ausgestaltet sind, können sie Unternehmen «wettbewerbsverzerrende» Steuervorteile bringen.
Semeta begrüsste den Auftrag der EU-Finanzminister an die EU-Kommission, alle Patentbox-Systeme in der EU unter die Lupe zu nehmen. Bis Ende Jahr soll ein Bericht vorliegen.
Diese Entwicklungen in der EU muss auch die Schweiz interessieren: Denn um nach dem Zugeständnis an die EU für Unternehmen attraktiv zu bleiben, liebäugelt sie damit, ein Boxen-System einführen. (awp/mc/pg)
(awp/mc/pg)