ABB entdeckt massive Unterschlagung in Südkorea

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(Foto: ABB)

Zürich – Bei der südkoreanischen ABB-Tochter sind kriminelle Handlungen massiven Ausmasses aufgeflogen. Der Technologiekonzern gilt eigentlich als vorbildlich beim Kampf gegen konzerninternes Fehlverhalten und Korruption. Doch der Fall zeigt, dass sich ABB diesbezüglich nicht zurücklehnen kann.

Er soll ein ausgeklügeltes System entworfen, Unterlagen gefälscht und mit Dritten zusammengearbeitet haben: Der Treasurer (Geldverwalter) der ABB-Niederlassung in Südkorea wird verdächtigt, Unternehmensgelder im Umfang von rund 100 Millionen Dollar veruntreut zu haben.

Erst als der Mann am 7. Februar untertauchte, entdeckte ABB erhebliche finanzielle Unstimmigkeiten. Der Konzern habe unmittelbar danach eine umfassende Untersuchung eingeleitet, teilte ABB am Mittwoch mit. Zudem bestehe ein Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden.

Geschätzter Schaden in dreistelliger Millionenhöhe
Wegen der laufenden Untersuchung verschiebt ABB die Publikation des Geschäftsberichts bis spätestens 16. März. Nach derzeitiger Schätzung weisen die kriminellen Aktivitäten eine Belastung vor Steuern von rund 100 Mio USD aus. Gemäss bisherigen Angaben hat ABB 2016 den Gewinn um 2% auf rund 2 Mrd USD gesteigert. ABB hat nach eigenen Angaben schadensmindernde Massnahmen eingeleitet.

Die Anleger zeigten sich am Mittwoch von dem Fall nicht allzu beunruhigt. Analysten massen der am selben Tag bekannt gegebenen Nomination eines Vertreters des Grossaktionärs Cevian Capital für den Verwaltungsrat deutlich mehr Gewicht zu.

Der ABB-Aktienkurs stieg zunächst, büsste die Gewinne später aber wieder ein. Es sei davon auszugehen, dass zumindest ein Teil der 100 Millionen etwa dank Versicherungen wieder zurückfliessen könne, hiess es bei der ZKB. Für ihn wirft der Fall dennoch Fragen bezüglich der Corporate Governance auf.

Ermittlungen in Grossbritannien
Es handelt sich bei dem Fall in Südkorea schon um die zweite Strafuntersuchung bei einer ABB-Tochter, die dieses Jahr eingeleitet wurde. Erst vor rund zwei Wochen hatte das ABB bekannt gegeben, dass die britische Strafverfolgungsbehörde SFO gegen die britischen ABB-Töchter und deren Angestellte eine Untersuchung wegen Bestechung und Korruption eingeleitet hat. Der Hinweis kam vom Konzern selbst nach einer internen Untersuchung.

Ein ABB-Sprecher betonte auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda, dass die beiden Fälle nicht vergleichbar seien. In Südkorea habe eine einzelne Person eine ausgeklügelte Strategie zur eigenen Bereicherung entwickelt. Das könne man nie zu 100 Prozent verhindern. Beide Fällen habe ABB selbst zur Anzeige gebracht und transparent gemacht, sagte der Sprecher weiter.

Strikte Nulltoleranzpolitik
In der Vergangenheit hatte ABB immer wieder mit Kriminalität oder Fehlverhalten zu kämpfen. Deswegen führte der Konzern 2006 eine strikte Nulltoleranzpolitik ein. Auf diese Strategie verwies der Konzern auch am Mittwoch. Man unterhalte die höchsten Standards in Sachen Integrität und ethischem Geschäftsverhalten.

Gesetzliche Kontrollsysteme
Auch gesetzlich ist ABB zu umfassenden internen Kontrollsystemen verpflichtet. Denn als börsenkotiertes Unternehmen in den USA muss ABB eine Reihe von gesetzlichen Anforderungen erfüllen, die die Ordnungsmässigkeit der Finanzberichterstattung sicherstellen sollen. Unter anderem hat der Konzern einen Verhaltenskodex erstellt, zu dem er auch Schulungen durchführt. Weiter hat der Konzern eine Anlaufstelle für Whistleblower eingerichtet.

Diese Anstrengungen kamen bei Beobachtern gut an. In einem gemeinsamen Bericht der Antikorruptionsorganisation Transparency International Schweiz und der Anlagestiftung Ethos aus dem Jahr 2011 war der Konzern mehrmals als gutes Beispiel angeführt worden. «Unserem Kenntnisstand nach verfügt ABB heute über ein gutes Compliance-Programm», sagte Transparency-Schweiz Geschäftsführer Martin Hilti gegenüber der sda.

Er zeigte sich deshalb überrascht von dem aktuellen Fall in Südkorea. Allerdings könnten auch die besten Programme und die beste Unternehmenskultur Fehler nicht immer verhindern. Wichtig sei es, solches Fehlverhalten aufzudecken und dann konsequent vorzugehen. Die Aufdeckung sei hier offenbar sehr spät erfolgt, sagte Hilti. Darauf lasse die hohe Schadenssumme schliessen. Ethos wollte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu dem Fall äussern.

Herausforderung für grosse Konzerne
Generell sei es für einen so grossen Konzern wie ABB eine Herausforderung, Compliance-Programme und eine entsprechende Kultur auch bei Tochterfirmen und Partnern zur Anwendung zu bringen, sagte Hilti. Es sei aber die Aufgabe der Unternehmen, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Wie schwierig es ist, die Kriminalität in einem solch grossen Konzern unter Kontrolle zu halten, dokumentiert auch die Zahl an Korruptionsfällen, die der Konzern in seinem Nachhaltigkeitsbericht ausweist. Zwischen 2009 und 2014 wurden im Schnitt jährlich drei Korruptionsfälle aufgedeckt. 2015 meldete der Konzern erstmals seit 2006 keine fundierten Verdachtsfälle. (awp/mc/pg)

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