Christoph Blocher.
Bern – Was in der Schweizer Verfassung steht, muss über dem internationalen Recht stehen. Eine Initiative mit diesem Ziel hat die SVP im Köcher. Im Auge hat sie nicht zuletzt die Umsetzung eigener Begehren wie die Masseneinwanderungsinitiative oder die Ausschaffungsinitiative.
Den Initiativtext stellte die SVP am Dienstag in Bern den Medien vor. Sie möchte in der Verfassung ausdrücklich verankern, dass die Bundesverfassung «oberste Rechtsquelle» der Eidgenossenschaft sein muss und über dem Völkerrecht steht.
«In Schieflage»
Vorbehalten bleibt zwingendes Völkerrecht. Dazu gehören namentlich das Gewaltverbot und das Verbot von Völkermord und Folter. Die SVP will im Verfassungstext explizit auf das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge von 1969 verweisen und so verhindern, dass der Begriff des zwingenden Völkerrechts immer weiter ausgedehnt wird. «Unter Berufung auf höheres Recht, meist Völkerrecht genannt, wird der verfassungsmässige Gesetzgeber ausgeschaltet», begründete SVP-Vizepräsident Christoph Blocher das Begehren. Verschiedene Verfassungsnormen, die gegen den Widerstand des Parlaments zustande gekommen seien, würden nicht oder nur mit Verzögerung umgesetzt.
Als Beispiele nannte er die Alpen- und die Verwahrungsinitiative sowie die Ausschaffungs-, die Durchsetzungs- und die Masseneinwanderungsinitiative. «Die rechtsstaatliche Regelung, wonach Volk und Stände für die Rechtssetzung auf Verfassungsstufe zuständig sind, ist in Schieflage geraten.»
Widersprüche beseitigen
Bund und Kantone dürfen laut Initiativtext auch keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehen, die der Verfassung widersprechen. Liegt ein Widerspruch vor, müssen sie dafür sorgen, dass die Verpflichtung an die Vorgaben in der Verfassung angepasst oder der entsprechende Vertrag gekündigt wird.
Die SVP gibt dazu zu bedenken, dass das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU den Konflikt zwischen nationalem und internationalem Recht noch verschärfen wird. «Die Schweiz soll verpflichtet werden, europäisches Recht zu übernehmen, ohne dass der Souverän etwas dazu zu sagen hat», sagte Blocher.
Delegierte entscheiden Ende Oktober
Im Auge hat die SVP auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die in der Schweiz seit 1974 in Kraft ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entferne sich mit seinem Urteilen zunehmend vom Vertragstext, kritisierte der Zürcher SVP-Kantonsrat und Rechtswissenschafter Hans-Ueli Vogt. Gelinge es nicht, Vorbehalte anzubringen, müsse die Schweiz die EMRK kündigen.
«Bei der Unterzeichnung der EMRK war keine Rede von derart weit gehenden Beurteilungen und Verurteilungen aller möglichen und unmöglichen Rechtsbereiche in der Schweiz», ergänzte Nationalrat Lukas Reimann (SG). Der Gerichtshof stelle auf Grund von Fällen Grundregeln auf, die die Schweiz veranlassten, Gesetze zu ändern.
Zweite Initiative in Arbeit
Den von den Kantonalparteien in einer Vernehmlassung begutachteten Initiativtext will die SVP Ende Oktober ihren Delegierten vorlegen. Sie arbeitet zurzeit noch an einer zweiten Volksinitiative zur Asylpolitik. Deren Ziel ist namentlich, dass Menschen, die aus einem sicheren Drittland in die Schweiz reisen, kein Asyl erhalten sollen.
Der Zeitpunkt für die Lancierung der zwei Begehren steht laut Blocher noch nicht fest. Absicht sei, vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2015 mit den Unterschriftensammlungen zu beginnen. «Ein Wahlgag ist das aber nicht», wollte Blocher festgehalten haben. Die SVP befasse sich seit Jahren mit dem Thema und habe Vorstösse eingereicht, die das Parlament bisher alle abgelehnt habe.(awp/mc/pg)