Bern – Verschuldete Personen sollen künftig in der Schweiz eine zweite Chance bekommen, ein schuldenfreies Leben zu führen. Der Bundesrat will das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs entsprechend abändern.
Wie er am Mittwoch mitteilte, hat er die Botschaft mit den geplanten Gesetzesänderungen ans Parlament verabschiedet. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten sehe das Schweizer Recht für hochverschuldete oder mittellose Privatpersonen keine Möglichkeit vor, ihre Finanzen nachhaltig zu sanieren, steht im Botschaftsentwurf.
Diese Menschen hätten heute keine realistischen Aussichten, je wieder schuldenfrei zu leben und über mehr als das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu verfügen, heisst es dort weiter. Das könne die Motivation, die eigene Situation zu verbessern, lähmen und beitragen, dass diese Personen in der Sozialhilfe verblieben.
Auch auf das Umfeld dieser Menschen könne sich diese Situation negativ auswirken, beispielsweise wegen gesundheitlicher Belastungen. Negative Effekte seien auch für die Volkswirtschaft zu verzeichnen. Dies, weil Kosten für die Sozialversicherungen anfielen oder weil Betroffene keine Steuern bezahlten.
Zwei Neuerungen vorgeschlagen
Dank zweier Neuerungen sollen sich künftig auch in der Schweiz Schuldner von ihren Schulden befreien können: die eine ist ein vereinfachtes Nachlassverfahren, und die andere ein Sanierungskonkursverfahren. Ersteres soll Schuldnern mit einem regelmässigen Einkommen zugute kommen.
Nachlassverfahren gibt es in der Schweiz bereits. Laut Bundesratsunterlagen verschafft es Schuldnern Zeit, um durch einen Betreibungsstopp oder einen Stopp des Zinsenlaufs mit den Gläubigern einen einvernehmliche Lösung zu finden. Im Ergebnis wird oft ein teilweiser Schuldenerlass oder auch eine längere Stundung vereinbart.
Bisher kommt aber ein sogenannter Nachlassvertrag nur zur Anwendung, wenn eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger diesem zustimmt. Neu soll eine Mehrheit der Gläubiger ausreichen, und ein Gericht muss dies für angemessen halten.
Das Sanierungskonkursverfahren ist für hoffnungslos verschuldete Personen gedacht, bei denen kein Nachlassvertrag gelingen kann. Der Schuldner muss in einer ersten, dreijährigen Phase alle verfügbaren Mittel an die Gläubiger abgeben und seine Bemühungen um das Erzielen eines regelmässigen Einkommens nachweisen.
Kommt der Schuldner während dieses dreijährigen Verfahrens seinen Pflichten nach, muss er die verbleibenden offenen Forderungen nicht begleichen, wobei aber mehrere Ausnahmebedingungen gelten.
Positive Auswirkungen erwartet
In der am Mittwoch veröffentlichten Botschaft ans Parlament heisst es, laut einem Bericht zu den Folgen der geplanten Gesetzesänderung verfügten sechs Prozent der Privatpersonen in der Schweiz über mindestens einen Verlustschein.
Externe Expertinnen und Experten kamen laut der Botschaft zum Schluss, das vereinfachte Nachlassverfahren bringe prozessuale Vereinfachungen, welche für Schuldner, Gläubiger und Behörden Kosten reduzierten dürften. Auch das Sanierungskonkursverfahren weise eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz auf.
Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen gehen im Wesentlichen auf in den eidgenössischen Räten jeweils einstimmig angenommene Vorstösse von alt Ständerat Claude Hêche (SP/JU) und Nationalrat Beat Flach (GLP/AG) zurück. Sie wurden bereits 2018 und 2019 behandelt. (awp/mc/pg)