Vertrauen kehrt langsam zurück – Anziehendes Wachstum erst 2014

Vertrauen kehrt langsam zurück – Anziehendes Wachstum erst 2014

Bern – Im Frühjahr 2013 spürt die Schweizer Wirtschaft den Rückenwind von den internationalen Finanzmärkten und der sich anbahnenden weltwirtschaftlichen Belebung. Angesichts einer weiterhin stabilen Inlandkonjunktur und des sich aufhellenden Ausblicks für die Exportwirtschaft stehen die Chancen für ein anziehendes Wirtschaftswachstum im Verlauf dieses und des nächsten Jahres gut. Die Expertengruppe rechnet für 2013 mit einem noch relativ moderaten BIP-Wachstum von 1,3% und für 2014 mit einer Beschleunigung auf 2,1%.

Trotz der wieder erwachenden Konjunkturzuversicht sind indes die Risiken nicht verschwunden. Die dauerhafte Bewältigung der Schuldenkrise im Euroraum stellt eine schwierige Aufgabe dar. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, trotz der tiefen Wirtschaftskrise in den südlichen Euroländern und der daraus resultierenden Risiken für die politische Stabilität, den sozialen Zusammenhalt in diesen Ländern nicht zu gefährden. Darüber hinaus muss das wieder gewonnene Vertrauen der Finanzmärkte noch weiter gestärkt werden, damit die Grundlage für dauerhaftes Wachstum in der Eurozone geschaffen wird.

Internationale Konjunktur
Die Weltwirtschaft sendet derzeit erste zarte Signale eines Frühlingserwachens aus. Die erfolgreiche Verhinderung einer Eskalation der Euro-Schuldenkrise durch die Europäische Zentralbank (EZB) seit Sommer 2012 liess zunächst an den Finanzmärkten die Zuversicht zurückkehren. In den letzten Wochen und Monaten haben sich nun auch die realwirtschaftlichen Stimmungsindikatoren bei Unternehmen und Konsumenten in vielen Ländern weltweit etwas aufzuhellen begonnen und weisen auf eine bevorstehende Belebung der globalen Konjunktur hin. Allerdings stellt die ungelöste Schuldenproblematik in vielen Industrieländern weiterhin eine Bremse und ein Risiko dar.

Im Euroraum dürfte die – im vierten Quartal nochmals verstärkte – Rezession in den kommenden Quartalen allmählich abklingen, vorausgesetzt die Schuldenkrise bleibt unter Kontrolle. Eine zentrale und schwierige Herausforderung besteht darin, die Budgetkonsolidierungsmassnahmen unter dem Druck einer fragilen Wirtschaftsentwicklung fortzusetzen. Die Kluft innerhalb des Währungsraums bleibt aber vorderhand gross. Während nämlich die Frühindikatoren für Deutschland oder Österreich bereits wieder eine baldige Rückkehr auf den Wachstumspfad ankündigen, ist in Italien und in Spanien, aber auch in Frankreich, noch keine konjunkturelle Wende zum Besseren in Sicht. Für die krisengeschüttelten südlichen Euro-Länder wird frühestens 2014 mit einer einsetzenden Stabilisierung gerechnet, da die fortgesetzte fiskalpolitische Konsolidierung, die steigende Arbeitslosigkeit und die rückläufige Lohneinkommen die Binnenkonjunktur in diesen Ländern voraussichtlich noch weiter dämpfen werden. Für den Euroraum insgesamt folgt aus diesen divergenten Tendenzen, dass die Wirtschaftsleistung im Jahresdurchschnitt 2013 trotz beginnender Erholung nochmals leicht schrumpfen könnte und auch 2014 nur unterdurchschnittlich (rund 1%) wachsen dürfte.

Vergleichsweise robuster stellt sich der Konjunkturausblick für die USA dar, auch wenn der anhaltende politische Streit über die Budgetpolitik alles andere als vertrauensbildend wirkt. Die sich nun abzeichnende Budgetkonsolidierung, die sowohl Steuererhöhungen als auch Kürzungen der Staatsausgaben umfasst, dürfte das Wachstum zeitweilig zwar etwas bremsen, jedoch nicht abwürgen. Die von der privaten Investitions- und Konsumnachfrage getragene Konjunkturerholung erscheint gefestigter als in den letzten Jahren, weil sie nach langer Durststrecke endlich auch den Immobilien- und den Arbeitsmarkt erfasst hat. Die US-Wirtschaft dürfte 2013 ähnlich wie 2012 um rund 2% wachsen und 2014 weiter leicht an Fahrt gewinnen.

In vielen Schwellenländern kündigen sich nach der Abschwächung des vergangenen Jahres wieder leicht höhere Wachstumsraten an. Einem kräftigen Aufschwung dürften 2013 und 2014 jedoch vielfach die zu schwachen Nachfrageimpulse aus den Industrieländern entgegenstehen. In China konnte sich die Wachstumsdynamik Ende 2012 wieder festigen, die jüngsten Konjunkturindikatoren fielen jedoch eher gemischt aus und deuten nicht auf eine Beschleunigung.

Konjunkturprognose Schweiz
Auch die Schweizer Wirtschaft spürt den Rückenwind von den internationalen Finanzmärkten und der sich anbahnenden weltwirtschaftlichen Belebung. Die jüngsten Konjunkturumfragen signalisieren jedenfalls auf breiter Front eine Stimmungsaufhellung über die letzten Monate. In der Industrie lassen die pessimistischen Einschätzungen nach, und das Konsumklima hat sich aufgehellt. Auch in den besonders unter der Eurokrise leidenden Branchen der MEM-Industrie und des Tourismus zeigen sich erste Anzeichen einer Stabilisierung.

Somit scheint die noch vor einigen Monaten virulente Gefahr, dass auch die Schweiz stärker in den konjunkturellen Abwärtssog gerät, fürs Erste gebannt. Angesichts einer weiterhin stabilen Inlandkonjunktur und des sich aufhellenden Ausblicks für die Exportwirtschaft stehen die Chancen für ein wieder anziehendes Wirtschaftswachstum im Verlauf dieses und des nächsten Jahres gut.

Zur Euphorie besteht gleichwohl kein Anlass, da die Erholung im Exportbereich nur zögernd voranschreiten dürfte. Zwar sind die aussenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr so ungünstig wie in den letzten beiden Jahren, aber immer noch herausfordernd. Dies betrifft in erster Linie die weiter schwächelnden Absatzmärkten in vielen EU-Ländern. Daneben ist der Franken gegenüber den meisten Währungen und besonders gegenüber dem Euro immer noch hoch. Immerhin wirkt die im internationalen Vergleich tiefere Inflation in der Schweiz darauf hin, dass sich die reale Überbewertung des Frankens auch bei konstanten nominellen Wechselkursen langsam zurückbildet; dies ist allerdings ein Prozess über Jahre. Die Expertengruppe prognostiziert somit für das Exportwachstum eine moderate Beschleunigung für 2013 und 2014.

Für die Inlandnachfrage stellt sich der Ausblick unverändert freundlich dar, auch wenn sich die Dynamik nach den starken letzten Jahren wohl kaum mehr weiter beschleunigen wird. Die positiven Treiber Bevölkerungswachstum und Tiefzinsen dürften weiterhin wirksam bleiben und die Bauwirtschaft und den privaten Konsum stützen. Hingegen könnte eine durchgreifende Erholung der Ausrüstungsinvestitionen noch einige Zeit auf sich warten lassen. Zwar vermelden die Firmen wieder vermehrt zunehmende Bestellungseingänge, doch dürfte die Investitionstätigkeit, insbesondere in der Industrie, vorerst noch durch die unterdurchschnittlich ausgelasteten Kapazitäten gebremst werden. Ausserdem scheint das unsichere, fragile Wirtschaftsumfeld viele Unternehmen zu einer relativ zurückhaltenden Investitionsplanung zu veranlassen.

Insgesamt geht die Expertengruppe von einer graduellen Beschleunigung der schweizerischen Konjunktur bis Ende 2014 aus. Für 2013 wird mit einem noch relativ moderaten BIP-Wachstum von 1,3% (gleiche Prognose wie im Dezember 2012) gerechnet, welches sich mit anziehender Exportnachfrage 2014 auf 2,1% (bisher 2,0%) beschleunigen dürfte. Gemäss dieser Prognose wird die Schweizer Wirtschaft ihre – im internationalen Vergleich milde – Konjunkturabkühlung des Jahres 2012 (1% BIP-Wachstum) überwinden, jedoch keinen kräftigen Aufschwung (Wachstumsraten deutlich über 2%) erreichen. Hierfür ist die Auslandnachfrage schlicht zu schwach.

Die schwächere Konjunktur führte im vergangenen Jahr zu einer leichten Verschlechterung am Arbeitsmarkt. Das Beschäftigungswachstum blieb zwar positiv, schwächte sich aber zum Jahresende hin ab. Die Arbeitslosigkeit nimmt seit anfangs 2012 langsam zu; Ende Februar 2013 betrug die (saisonbereinigte) Arbeitslosenquote 3,1%. Trotz der aufgehellten Konjunkturperspektiven zeichnet sich für den Arbeitsmarkt vorerst noch keine positive Wende ab. In der Industrie könnte der Beschäftigungsabbau, der im zweiten Halbjahr 2012 einsetzte, vorerst noch anhalten, ehe nach mehreren schwierigen Jahren wieder eine Erholung einsetzt. Zudem dürften die Umstruktierungen im Bankensektor den Arbeitsmarkt noch weiter belasten. Insgesamt rechnet die Expertengruppe für die Arbeitslosigkeit noch bis Ende dieses Jahres mit einer Zunahme und anschliessend einer Stabilisierung, was im Jahresdurchschnitt Arbeitslosenquoten von jeweils 3,3% für 2013 und 2014 entspricht (unveränderte Prognose wie bisher).

Konjunkturrisiken
Trotz der wieder erwachenden Konjunkturzuversicht sind die bekannten Risiken, an erster Stelle die internationale Verschuldungsproblematik, nicht verschwunden. So bildet der weiter schwelende Budgetstreit in USA einen Unsicherheitsfaktor: Sollte es wider Erwarten doch zu massiveren kurzfristigen Einschnitten kommen, könnte dies spürbar negative Effekte auf das BIP-Wachstum der USA haben und auf die Weltwirtschaft ausstrahlen.

Das grösste Bedrohungspotenzial geht aber nach wie vor von der Euro-Schuldenkrise aus, die zwar eingedämmt, aber noch nicht bewältigt ist. Die krisengeschüttelten südlichen Euroländer haben zwar Fortschritte bei der Strukturanpassung – Fiskalkonsolidierung und verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft – erzielt. Diese Erfolge haben jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen in Form schwerer Wirtschaftskrisen und steigende Arbeitslosigkeit, ohne Aussicht auf rasche Besserung. In den betroffenen Ländern wachsen die sozialen Spannungen und der politische Widerstand gegenüber den Wirtschaftsreformen. Die schwierige politische Gratwanderung, die Reformen möglichst konsequent umzusetzen und zugleich den Rückhalt in der Bevölkerung nicht zu verlieren, birgt latente Risiken. Falls dies nicht gelingt, könnte die Verunsicherung an den Finanzmärkten – etwa durch steigende Zinsaufschläge – zurückkehren und die zarten Konjunkturhoffnungen im gesamten Euroraum wieder knicken; ähnlich wie es im vergangenen Jahr festzustellen war. Eine dramatische Eskalation der Eurokrise (etwa das Auseinanderbrechen des Währungsraums) wird jedoch als unwahrscheinlich angesehen. Dagegen spricht vor allem der erkennbare grosse politische Wille in Europa, den Zusammenhalt der Währungsunion für die Zukunft zu sichern.

* Die Expertengruppe des Bundes für die Konjunkturprognosen publiziert viermal pro Jahr eine Prognose der konjunkturellen Entwicklung in der Schweiz. Die aktuelle Prognose von März 2013 wird in dieser Medienmitteilung kommentiert. Die aktuelle Ausgabe der «Konjunkturtendenzen», eine vierteljährliche Publikation des SECO, integriert diese Prognosen und vertieft weitere Aspekte der gegenwärtigen konjunkturellen Entwicklung. Diese Publikation erscheint in gedruckter Form als Beilage der Februar-, April-, Juli-, und Oktobernummern der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» (www.dievolkswirtschaft.ch). Ausserdem ist sie kostenlos auf dem Internet im PDF-Format verfügbar (http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00375/00381/index.html?lang=de).

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