Bern – Für die Filmförderung in der Schweiz gibt es zusätzliche Millionen von den grossen Streamingdiensten. Gemäss dem offiziellen Schlussresultat haben die Stimmberechtigten die «Lex Netflix» in einer Referendumsabstimmung mit 58,4 Prozent gutgeheissen.
1’255’032 Stimmberechtigte (58,4 Prozent) legten ein Ja in die Urne, 893’369 (41,6 Prozent) lehnten die Vorlage ab. Die Stimmbeteiligung betrug 39,5 Prozent.
Die lateinische Schweiz verhalf dem Ausbau der Fördermittel zum Durchbruch, insbesondere die Westschweizer Kantone Waadt, Genf und Neuenburg. Dort lag die Zustimmung zwischen 70,5 und 76,1 Prozent. Sieben Deutschschweizer Kantone lehnten das revidierte Filmgesetz ab, am deutlichsten Schaffhausen mit 57,8 Prozent Nein-Stimmen.
Wie die inländischen TV-Sender werden neu auch globale Streamingdienste einen Teil ihres Umsatzes in das Schweizer Filmschaffen investieren müssen. Ab Anfang 2024 müssen sich Unternehmen wie Netflix oder Disney+ per Gesetz mit vier Prozent ihres in der Schweiz erwirtschafteten Umsatzes an Schweizer Film- und Serienproduktionen beteiligen. Zudem müssen sie neu 30 Prozent europäische Filme im Angebot führen.
Diesem Ansinnen in der sogenannten «Lex Netflix» hat der Souverän klarer als erwartet seinen Segen gegeben. Das Referendumskomitee aus den Jungparteien von FDP, SVP und GLP sprach trotz Niederlage von einem Achtungserfolg. Die Branche müsse nun Werke liefern, die auch beim Publikum gut ankämen, formulierte Komitee-Präsident Matthias Müller klare Erwartungen an die Schweizer Filmbranche.
Golder: «Die Jungen nicht mitgerissen»
Es sei finanziell für die Konsumierenden um sehr wenig gegangen, deshalb sei für die Stimmbevölkerung die Wertfrage wichtiger gewesen, ob man in die Wirtschaftsfreiheit eingreifen wolle, analysierte Urs Bieri von gfs.bern im Schweizer Radio SRF.
Lukas Golder vom gfs.bern attestierte den referendumsfähigen Jungparteien im Schweizer Fernsehen SRF zwar einen gewissen Erfolg. Letztlich sei es dem Referendumskomitee aber nicht gelungen, die Jungen zu mobilisieren und mitzureissen.
Der Leiter des Forschungsinstituts ortete zudem einen Sprachgraben in dieser Frage. Während die staatliche Steuerung des Filmwesens in der Deutschschweiz umstritten sei, habe die lateinische Schweiz die «andere Idee», dass sich kulturelle und sprachliche Vielfalt auch im Film ausdrücken müsse.
Im europäischen Trend
Inländische Fernsehsender sind seit Jahrzehnten verpflichtet, vier Prozent ihres Umsatzes in das Schweizer Filmschaffen zu investieren. Schätzungen zufolge fliessen durch die Erweiterung der Investitionspflicht jährlich 18 Millionen Franken zusätzlich in das Schweizer Filmschaffen.
Mit der Gesetzesänderung wird in erster Linie der bestehende Wettbewerbsnachteil der Schweiz gegenüber den europäischen Ländern beseitigt, wie die Befürworter der Vorlage argumentierten. Stand heute kennen 19 europäische Länder entweder eine Investitionspflicht, eine direkte Abgabe oder beides.
Das Referendumskomitee argumentierte vergeblich, die neue Investitionsverpflichtung sei eine «unnötige Filmsteuer», weil das Schweizer Filmschaffen bereits heute jährlich mit weit über 120 Millionen Franken subventioniert werde. Auch schade es dem Wirtschaftsstandort Schweiz, wenn künftig die schweizerischen Privatsender stärker zur Kasse gebeten würden. Zudem würden die Streamingdienste wegen der geplanten Gesetzesänderung wahrscheinlich ihre Preise erhöhen, befürchteten sie.
Hängige Abstimmungsbeschwerden
Der Abstimmungskampf verlief animiert. Beide Lager warfen sich regelmässig Falschaussagen vor. So bezeichneten die Befürworter die von den Gegnern erwartete Erhöhung der Abopreise als Angstmacherei. Umgekehrt wehrten sich die Schweizer Privatfernsehsender gegen die Aussage des Ja-Komitees, wonach sich für Schweizer Stationen nichts ändern werde. Die Vorlage sei vielmehr eine «massive Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit».
Für Wirbel sorgten auch fehlerhafte Angaben zur Vorlage im Abstimmungsbüchlein, namentlich zu einer Karte über europäische Länder mit einer Investitions- oder Abgabepflicht für Streamingdienste. Das Referendumskomitee reichte deshalb Beschwerden ein, mit denen sich nun das Bundesgericht in Lausanne zu befassen hat. Die Bundeskanzlei präzisierte und korrigierte unterdessen die Angaben in der Onlineversion. Angesichts des klaren Ausgangs der Abstimmung würde die Anordnung einer Wiederholung durch das höchste Gericht einer Überraschung gleichkommen.
Knapperer Ausgang erwartet
Die letzten Umfragen hatten auf einen knapperen Ausgang der Abstimmung schliessen lassen. Von den grossen Parteien empfahlen SVP und FDP ein Nein zur Vorlage; auch Economiesuisse und Gewerbeverband sowie das Konsumentenforum und der Privatfernsehverband stellten sich gegen die «Lex Netflix». SP, Grüne, Mitte und GLP sowie Film- und Kulturkreise hatten die Ja-Parole ausgegeben. (awp/mc/pg)