Bern – Der Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen zeigt mit seiner Studie «Wege in die neue Stromzukunft» drei Szenarien auf. Jeder Weg ist mit unterschiedlichen Auswirkungen verbunden. Eine Schweizer Stromzukunft ohne Gaskombikraftwerke und ohne Importe von nicht erneuerbarer Energie ist nach Ansicht des VSE nur mit sehr grossen Anstrengungen beim Stromsparen und mit drastischen Massnahmen möglich.
Der Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen (VSE) hat seit letztem Sommer eine ganze Reihe von Studien in Angriff genommen. Die Gesamtbetrachtung «Wege in die neue Stromzukunft» haben 50 Spezialisten aus der Branche erarbeitet. Dabei ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Konsequenzen eine Stromversorgung ohne Ersatz der heutigen Kernkraftwerke realisiert werden kann. Die Experten haben die Frage anhand von drei konsistenten Szenarien beantwortet, die sich jeweils hinsichtlich politischer Weichenstellung und gesellschaftlicher Akzeptanz unterscheiden.
Szenario 1 geht zwar von verstärkten Vorschriften für Stromeffizienz und Förderung erneuerbarer Energien aus, rechnet aber mit einem weiter steigenden Strombedarf. Die Folge: Ein Viertel der Energie muss gemäss VSE weiterhin importiert werden und der Ausstieg aus der Kernkraft geht nur mit 7-8 Gaskombikraftwerken sowie wo sinnvoll WKK. Zudem steigen die Gesamtkosten für Stromerzeugung und Netze bis 2050 gegenüber heute auf 118 Milliarden Franken, was einer Kostensteigerung von ca. 30 Prozent entspricht.
Im 2. Szenario geht der VSE von einem stärkeren Willen zum Energiesparen aus, inklusive starker Lenkung über hohe Verbrauchssteuern. Bis 2050 würden 70 Prozent der Energie aus erneuerbaren Formen entstehen, zum Beispiel mit knapp 1000 Windkraftwerken, 8 Wasserkraftwerken der Grösse des Kraftwerks Rheinfelden und 7000 Photovoltaik-Anlagen in der Grösse der Anlage auf dem Stade de Suisse. Trotzdem würden 4-5 Gaskombikraftwerke und wo sinnvoll WKK notwendig sein. Und das ganze Investitionspaket würde die Kosten um 45 Prozent auf 135 Milliarden Franken steigen lassen.
Szenario 3 ist der radikalste Umbau. Der Stromverbrauch geht unter anderem dank starker Lenkungsabgaben um 7 Prozent zurück. Es wird massiv in erneuerbare Energien investiert, zum Beispiel mit 1250 Windkraftwerken, 10 Wasserkraftwerken der Grösse des Kraftwerks Rheinfelden und Photovoltaik-Anlagen, die 11’500 Mal derjenigen auf dem Stade de Suisse entsprechen. Die Gesamtkosten steigen um 75 Prozent auf 150 Milliarden Franken. Dafür braucht dieses Szenario keine Gaskombikraftwerke und importiert wird ausschliesslich Strom aus erneuerbarer Energie.
Die praktische Umsetzung eines jeden der drei Szenarien werde tiefe Einschnitte in das Alltagsleben der Schweiz bringen und es werde je nach Ausprägung zu Zielkonflikten kommen, die sichtbar gemacht werden müssen, zeigt sich der VSE überzeugt. Diese müssen von Gesellschaft und Politik entschieden und getragen werden. Der VSE wolle mit der Studie nötige Massnahmen aufzeigen, um das Ziel auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Und er wolle so mithelfen, die politische und gesellschaftliche Diskussion zu versachlichen, heisst es weiter.
Kritik des WWF
Der WWF kritisiert die VSE-Studie. Sie mache unrealistische Annahmen und tauge nicht als Entscheidungsgrundlage“, kommentierte Patrick Hofstetter, Leiter Klima und Energie beim WWF Schweiz. Selbst das fortschrittlichste VSE-Szenario rechne mittelfristig mit einen Solarstrom-Zubau, der sogar noch unter der heutigen, äusserst schwachen Zubaurate liege. Auch die Kostenrechnungen mache misstrauisch, habe sich doch die Stromwirtschaft regelmässig schon mit kurzfristigen Prognosen arg verschätzt. Sie blende zudem aus, dass mit vielen Gaskraftwerken Milliarden für Gas-Importe ins Ausland abfliessen würden. (VSE/mc/pg)