Bern – Das Kandidatenkarussell für die Nachfolge von Bundesrat Didier Burkhalter beginnt sich zu drehen: Nach FDP-Fraktionspräsident Ignazio Cassis meldete am Wochenende auch die Westschweizer Staatsrätin Jacqueline de Quattro ihr Interesse an dem Posten an. Für CVP-Präsident Gerhard Pfister ist Cassis aber trotzdem bereits jetzt «so gut wie gewählt».
De Quattro liess sie der Nachrichtenagentur sda am Samstag über ihre persönliche Mitarbeiterin Anne Dousse ausrichten, dass sie als Kandidatin für die Waadtländer FDP ins Rennen um den Bundesratssitz steige. Die «Schweiz am Wochenende» hatte bereits berichtet, dass sich de Quattro aus der Deckung wage.
Die FDP-Frauen reagierten erfreut auf die Ankündigung. De Quattro könne auf ihre «tatkräftige Unterstützung» zählen», schrieben die Frauen am Samstagabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Die 57-jährige Juristin de Quattro ist in Zürich geboren und spricht drei Landessprachen fliessend. Seit 2007 sitzt sie im Waadtländer Staatsrat. Zuerst leitete sie das Departement für Sicherheit und Umwelt, seit 2014 steht sie dem Departement für Umwelt und Raumplanung vor.
Im vergangenen April wurde de Quattro für eine dritte Amtsperiode als Staatsrätin wiedergewählt. Schon damals hatte sie erklärt, dass dies ihre letzte sein werde.
Weitere Namen
Die FDP des Kantons Waadt will ihre Kandidaten am 10. August nominieren. De Quattro war bereits als mögliche Anwärterin aus der Romandie gehandelt worden – zusammen mit der Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret und dem Genfer Staatsrat Pierre Maudet. Moret sagte auf Anfrage, sie denke noch über eine Kandidatur nach.
Am Samstagabend meldete sich dann noch ein weiterer potenzieller Kandidat zu Wort, der bisher wenig genannt worden war: Ständerat Olivier Français (FDP/VD). Er würde sich «sehr geehrt» fühlen, wenn man ihn anfragen würde, sagte er im «Téléjournal» des Westschweizer Fernsehens. Und es wäre für ihn «eine Freude», sich der Herausforderungen zu stellen.
Andere Parteien fordern Frauen
Bisher war der als Kronfavorit geltende Tessiner Nationalrat Ignazio Cassis der einzige vorgeschlagene Kandidat. Er verteidigte in einem Interview mit «Le Matin Dimanche» den Anspruch des Tessins auf den Bundesratssitz. Es wäre die Gelegenheit, «den Kanton in die Schweizer Familie zurückzubringen» und dem Gefühl des Ausgeschlossenseins ein Ende zu setzen, sagte er.
Zu Rufen nach einer Frauenkandidatur sagte Cassis, er glaube, die Geschlechterfrage sei zweitrangig. Er wäre als Frau verärgert – egal ob in der Politik oder in der Wirtschaft – wenn er bloss gewählt würde, weil er eine Frau sei.
SP-Präsident Levrat hatte den Freisinnigen nahegelegt, zwei Frauen zu nominieren. Auch der als neuer GLP-Präsident nominierte Jürg Grossen möchte lieber eine zusätzliche Frau als einen Tessiner im Bundesrat.
FDP-Präsidentin Petra Gössi hatte zu den Forderungen in einem Interview mit der «NZZ» gesagt, die Fraktion werde am 1. September über das Ticket entscheiden. Sie verlangte von den anderen Parteien, sich an den Vorschlag zu halten. So habe es bei früheren Vakanzen auch die FDP jeweils getan.
Pfister ist glaubt an Cassis
Für CVP-Präsident Gerhard Pfister ist bereits jetzt klar, wer im September das Rennen machen wird: Trotz der Westschweizer Konkurrenz sei Cassis «so gut wie gewählt», sagte er im Interview mit den Zeitungen «Zentralschweiz am Sonntag» und «Ostschweiz am Sonntag». Seit Burkhalters Rücktrittsankündigung laufe alles auf den Tessiner hinaus.
Der CVP-Präsident aus Zug sieht für den FDP-Fraktionschef nur einen Stolperstein: Da dieser schon jetzt als praktisch gewählt gelte, werde sich die Kritik von Medien und anderen Parteien voll auf ihn fokussieren, sagte Pfister.
Bedingungen will der CVP-Präsident der FDP nicht stellen. In einer Konkordanzregierung sei es unsinnig, von einem Freisinnigen eine SP-, SVP- oder CVP-Politik einzufordern. Pfister erwartet, dass der neue FDP-Bundesrat für die Linie seiner Partei kämpft, aber Kompromisse zu Gunsten des Gesamtwohls eingeht.
Vorschläge bis 11. August
Die Spitze der Tessiner FDP setzt auf Cassis, um dem Kanton einen Bundesratssitz zu verschaffen. Dieser ist seit 1999 nicht mehr in der Landesregierung vertreten. Die kantonale Partei entscheidet am 1. August über das Südschweizer Ticket.
Am Tag nach der Rücktrittsankündigung Burkhalters hatte die FDP mitgeteilt, sie suche Kandidaturen, welche die lateinische Schweiz vertreten. Die Kantonalparteien können Nominationsvorschläge bis zum 11. August einreichen.
Die Bundesratswahl findet in der kommenden Herbstsession statt, am 20. September. Burkhalter tritt am 31. Oktober zurück.