Warum ausgerechnet Schweizer Unternehmen vom Iran profitieren könnten

Warum ausgerechnet Schweizer Unternehmen vom Iran profitieren könnten

Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz. (Bild: Euler Hermes)

Zürich – Die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran birgt für Schweizer Unternehmen grosse Chancen – aber auch einige Risiken. Zu diesem Schluss kommt der führende Kreditversicherer Euler Hermes in seiner Studie „Iran – back in the game?“.

„Die wirtschaftlichen Potenziale im Iran sind gross, gerade auch für Schweizer Exporteure“, sagt Ludovic Subran, Chefökonom bei der Euler Hermes Gruppe. „Aber ein ‚El Dorado‘, bei dem nach Aufhebung der Sanktionen sofort das Gold auf der Strasse liegt, ist es realistisch betrachtet auch nicht. Zumindest nicht kurzfristig, denn der Finanzdienstleistungssektor ist derzeit beispielsweise fast nicht existent. Mittel- und langfristig wird das Land mit seinen 80 Millionen potenziellen Kunden jedoch sehr interessant werden. Nicht ohne Grund stehen die ersten Firmen bereits in den Startlöchern.“

Warum ausgerechnet für die Schweizer Wirtschaft?
„Erstens, die Branchen, in denen Schweizer Exporteure besonders stark sind, werden in den kommenden Jahren eine grosse Nachfrage erleben. Zweitens, hat die Schweizer Industrie einen hervorragenden Ruf und steht für Qualität. Der Iran ist eine weit entwickelte Wirtschaft mit einer zum Grossteil hochgebildeten Bevölkerung. Viele von ihnen würden gerne hochwertige Markenprodukte kaufen, zumal ein Teil der Bevölkerung den wesentlich höheren Lebensstandard von vor den Sanktionen kennt.“

Gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geniesst die Schweiz einen guten Ruf im Iran und Schweizer Qualität wird sehr geschätzt. Ende Februar wird Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann mit einer Wirtschaftsdelegation nach Teheran reisen.

„Die Aufhebung der Sanktionen sind eine Chance für die zur Zeit stagnierende Schweizer Exportbranche. Schweizer Firmen waren vor der Verhängung der Sanktionen sehr aktiv im Iran. Euler Hermes geht davon aus, dass nun schrittweise die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran wieder aufgenommen werden,“ erklärt Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz.

Grosser Nachholbedarf: Nahrung, Medizin, Waschmaschine, Auto, Produktionsanlage, Infrastruktur
Zudem ist der Nachholbedarf gross. Von 2011 bis heute fehlen dem Iran Importe in Höhe von 30 Milliarden Euro durch die Intensivierung der Sanktionen. Ausländische Waren wie zum Beispiel Haushaltswaren sind derzeit sehr schwer zu bekommen, ganz zu schweigen von Autos oder Maschinen. Sowohl Importe als auch Binnenkonsum werden nach der Öffnung daher stark anziehen. Durch die Ölvorkommen verfügt der Iran auch die finanziellen Mittel, diesen Nachholbedarf zu finanzieren.

„In einem ersten Schritt führt dies zu einer steigenden Befriedigung der Grundbedürfnisse: Nahrung und Gesundheit“, sagt Subran. „Es käme zunächst zu einer wachsenden Nachfrage nach Lebensmitteln sowie nach Pharmaprodukten zur medizinischen Versorgung. In einem zweiten Schritt würde die iranische Bevölkerung neue Autos und die Spülmaschine oder andere Haushaltsgeräte ersetzen. Wenn eine iranische Familie derzeit also lediglich eine billige Spülmaschine kaufen kann, die sie häufiger ersetzen muss, wird sie bald auf hochwertigere und langlebigere Produkte setzen und genau hier stehen die Schweizer Firmen bereits in den Startlöchern. Zudem sind die Maschinen im produzierenden Gewerbe im Iran veraltet. Die Nachfrage nach neuen Maschinen sowie Ersatzteilen zur Instandhaltung der bestehenden Produktionsli-nien wäre also die logische Folge. Auch die Infrastruktur im Land ist marode und muss erneuert und modernisiert werden.“

Maschinenbauer, Chemie-, Medizin- und Pharmaunternehmen, Bau- und Baumaterialfirmen, Automobilindustrie sowie Hersteller von Konsumgütern und Lebensmitteln haben deshalb nach Ansicht von Euler Hermes besonders gute Karten.

Schweizer Exporte könnten stark ansteigen – Konkurrenz kommt aus China
Dieses Potenzial ist gross, auch wenn die Schweiz nur einen Teil dessen nutzen kann. Schweizer Exporte könnten in den nächsten Jahren stark ansteigen. Konkurrenz kommt allerdings aus China: China ist bereits seit vielen Jahren sehr proaktiv im Handel mit dem Iran – sie haben dies sehr geschickt gelöst und sind – anders als der Westen – nicht an die Sanktionen gebunden.

„Ölexporte aus dem Iran nach China werden beispielsweise in Renminbi beglichen“, sagt Subran. „Dadurch haben viele iranische Unternehmen und Finanziers hohe Reserven in dieser Währung und sind quasi dadurch gezwungen chinesische Produkte zu kaufen. Das ist quasi der Teufelskreis aus Exporten in Renminbi. Mit Aufhebung der Sanktionen könnte sich das jedoch ändern und die Schweizer könnten – zusammen mit anderen Nationen – den Chinesen einige Marktanteile streitig machen.“

Hemmnisse: Finanzdienstleistungssektor, Währungs-, Kredit- und politische Risiken
Allerdings lauern auch noch zahlreiche mögliche Risiken für Exporteure, insbesondere in vier Bereichen:

„Sanktionen werden in der Regel schrittweise gelockert“, sagt Subran. „Erfahrungsgemäss gehört der Finanzdienstleistungssektor hier meist zu den letzten. Geldverkehr mit dem Iran wird von den USA bisher drastisch geahndet. Deshalb warten alle auf die Amerikaner, hier den ersten Schritt zu tun. Derzeit fehlen im Iran jedoch Finanzdienstleistungen wie Banken und Versicherungen. Das zweite Risiko ist das Währungsrisiko. Derzeit herrscht im Iran ein einziges Währungschaos – das wird auch beim Aufheben der Sanktionen zunächst weiter bestehen. Unternehmen benötigen hier die Sicherheit, in welcher Währung sie beispielsweise ihre Geschäfte abschliessen.“

Zudem bestehen Unsicherheiten im allgemeinen Geschäftsumfeld, insbesondere durch die Hürden der Bürokratie, die es insgesamt nicht einfach machen, Geschäfte abzuwickeln. Zudem sehen die Euler Hermes Experten derzeit ein hohes Kreditrisiko.

„Unternehmensdaten wie Bilanzen sind nur in geringem Umfang öffentlich zugänglich – Lieferanten kaufen also quasi die Katze im Sack und haben keine Möglichkeit, die Bonität ihrer Abnehmer zu bewerten. Ohne entsprechende Informationen oder Absicherungsmöglichkeiten ist das Risiko hier deshalb enorm. Auch die juristischen Grundlagen sind derzeit relativ unsicher, Unternehmen müssen sich also vorsichtig herantasten an Gerichte oder auch die Handhabung von Insolvenzverfahren.“

Ausserdem bleibt ein politisches Restrisiko, sowohl auf nationaler Ebene als auch insgesamt in der Region, nicht zuletzt aufgrund der Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien. Zum politischen Restrisiko zählt auch, inwieweit der iranische Staat selbst auf den Handel Einfluss nehmen wird nach Aufhebung der Sanktionen. Derzeit ist beispielsweise unklar, wie und ob die Regierung eine Regulierung vornehmen wird, beispielsweise durch Importrestriktionen. (Euler Hermes/mc/ps)

> Englische Studie zum Iran
> Grafik: Zusätzliche iranische Importe nach Ländern 2015-2017 bei Aufhebung der Sanktionen in Mrd. USD

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