Bern – In der über 70-köpfigen wissenschaftlichen Taskforce des Bundes hat es in den letzten Wochen weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit prominente Wechsel gegeben. Der neuste Wechsel betrifft das vierköpfige Leitungsteam. Hier ersetzt der ETH-Ökonom Jan-Egbert Sturm Ende Monat die St. Galler Ökonomin Monika Bütler.
Die Covid-19-Taskforce des Bundes besteht aktuell aus gut 70 Expertinnen und Experten. Im vierköpfigen Leitungsteam mit Martin Ackermann (Mikrobiologe, ETH Zürich) an der Spitze sind Manuel E. Battegay (Biomediziner, Universität Basel), Samia Hurst-Majno (Bioethikerin, Universität Genf) und bis vor Kurzem Monika Bütler (Ökonomin, Universität St. Gallen).
Wechsel im Leitungsgremium
Bütler tritt Ende Monat zurück, wie sie auf Twitter mitteilte. Sie mache dies zu hundert Prozent aus persönlichen Gründen. Ihren Platz einnehmen wird Jan-Egbert Sturm von Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.
Seit dem Bestehen der Taskforce Ende März des vergangenen Jahres gab es, wie Taskforce-Leiter Martin Ackermann gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte, rund ein Dutzend Rücktritte aus dem Gremium. Bei diesen Wechseln seien aber die wichtigsten Fachbereiche immer abgedeckt und die Kontinuität gewährleistet gewesen.
Alle Mitglieder der Taskforce erhalten für ihre Arbeit weder eine Entlöhnung noch eine Entschädigung. Sie arbeiten unentgeltlich zusätzlich zu ihrer regulären beruflichen Tätigkeit.
Ackermann betont denn auch, dass die Mitglieder Ausserordentliches für die Schweiz und die Bekämpfung der Pandemie leisteten. Daher sei es auch nicht erstaunlich, dass einzelne Mitglieder austreten würden, um sich wieder ganz den eigenen Forschungsprojekten zu widmen.
Ohne Entschädigung, aber mit hoher Belastung
Das Präsidium der Taskforce ist laut Ackermann derzeit ein Full-time-Job. Aber auch die anderen Mitglieder wenden laut Ackermann neben ihrem sonstigen Arbeitspensum mehrere Stunden bis Tage pro Woche für die Konsolidierung von Forschungsergebnissen, die Erarbeitung von Mitteilungen der Taskforce («Policy Briefs») oder Situationsanalysen auf.
Nicht unumstritten ist, ob die Taskforce so viele Mitglieder haben sollte oder nicht. Für eine derart grosses Gremium spricht laut Ackermann, dass die Pandemie eine hochkomplexe Situation ist, die viele verschiedene Aspekte hat.
Es brauche unterschiedliche Expertisen, stellt Ackermann fest. Die Taskforce pflege einen intensiven Diskurs und Austausch von Forschenden aus unterschiedlichen Fachgebieten, da sei es sinnvoll, wenn von gewissen Forschungsgebieten mehrere Forschende im Gremium seien.
Laut Ackermann macht es umgekehrt die Grösse der Taskforce es manchmal «etwas schwieriger und zeitintensiver, einen Konsens zu finden». Als Beispiel nennt er die Interpretation von einzelnen Punkten oder Formulierungen. Ackermann betont, dass dieser Prozess aus wissenschaftlicher Sicht aber durchaus sinnvoll sei.
Ein Drittel Frauen
Rund ein Drittel der Taskforce-Mitglieder sind Frauen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sind doch vor allem naturwissenschaftliche Forschungsgebiete gefragt. Allerdings liegt der Frauenanteil in den verschiedenen ETH-Bereichen (Zürich, Lausanne und angeschlossene Institute) laut ETH-Sprecherin Franziska Schmid auch bei 32 Prozent.
Nach dem Abgang des Epidemiologen und Public Health-Spezialisten Marcel Tanner in den letzten Tagen leiten mit Nicola Low (Universität Bern) und Suzanne Suggs (Università della Svizzera italiana) zwei Frauen gemeinsam eine Untergruppe des Expertengremiums.
Kein wissenschaftlicher Ritterschlag
Der Einsitz in der Taskforce bedeutet allerdings laut Ackermann für den Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin kein «Ritterschlag». Die Forschenden der Taskforce seien schon zuvor auf ihren Fachgebieten anerkannte Expertinnen und Experten gewesen und es gebe viele hervorragende Forschende in der Schweiz, die nicht Mitglied der Taskforce seien, stellt Ackermann fest.
«Wer in der Taskforce mitarbeitet, gewinnt viel durch die sehr konstruktive und fachübergreifende Zusammenarbeit, wie sie im hochkompetitiven Umfeld der Wissenschaft nicht immer selbstverständlich ist», sagt Ackermann.
Einzelne Mitglieder würden aufgrund des grossen Interesses der Bevölkerung und der Medien an mehr Visibilität gewinnen. Die Kehrseite der Medaille ist für Ackermann die hohe Arbeitsbelastung und der Druck der Öffentlichkeit. (awp/mc/pg)