Weko klärt Bezüge des mutmasslichen Autokartells zur Schweiz

Weko

Weko-Sitz in Bern.

Bern – Ob die Schweizerische Wettbewerbsbehörde Weko im Fall des mutmasslichen Autokartells in Deutschland jemals Bussen verhängen wird, ist ungewiss.

Immerhin wird die Weko in den nächsten Tagen mit den EU-Wettbewerbsbehörden abklären, ob sich die vermeintlichen Absprachen zwischen VW, BMW, Mercedes, Porsche und Audi überhaupt auf die Schweizer Volkswirtschaft auswirken.

«Der Kontakt ist aufgegleist und wird in den nächsten ein bis zwei Wochen stattfinden», bestätigt der stellvertretende Weko-Direktor Patrik Ducrey gegenüber der Nachrichtenagentur sda eine Aussage, die er bereits gegenüber dem «Tagesanzeiger» gemacht hat.

Erst wenn geklärt sei, ob Schweizer Unternehmen involviert oder Schweizer Kunden stärker betroffen seien als Kunden in anderen europäischen Ländern – erst dann «entscheiden wir, ob wir ein Verfahren einleiten», so Ducrey.

Hürde für ein Verfahren ist tief
Solche Auswirkungen können sich schnell ergeben, denn die deutsche Autoindustrie ist ein wichtiger Markt für Schweizer Zulieferer. Die Hürde für ein mögliches Verfahren der Weko ist also tief.

Ducrey äussert sich nicht dazu, ob die Weko dann auch tatsächlich ein Verfahren eröffnen wird. Denn es ist unwahrscheinlich, dass jemals Bussen gegen die Autohersteller verhängt werden könnten. In einem mehrstufigen Verfahren müssten verschiedene Bedingungen erfüllt sein.

In einem ersten Schritt muss erwiesen sein, dass sich die Autohersteller VW, BMW, Mercedes, Porsche und Audi bewusst abgesprochen haben, dass sie also, wie es im Fachjargon heisst, kollusives Verhalten an den Tag gelegt haben. Nach den Enthüllungen des deutschen Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» erscheint das wahrscheinlich, denn offenbar haben sich Daimler und VW vor einiger Zeit selbst angezeigt.

Doch solche Absprachen allein müssen nicht zwingend problematisch sein. Ein Verbot mit Bussgeldern droht nur bei sogenannten Kernbeschränkungen: wenn die Autokonzerne Preise abgesprochen, Mengen gesteuert oder Gebiete oder Kunden untereinander aufgeteilt hätten. Sollten sich die Konzerne jedoch auf technische Standards geeinigt haben, dann werden dafür grundsätzlich weder in der EU noch in der Schweiz Bussen verhängt.

Solche Standards wären beispielsweise einheitliche Techniken für Gurtstraffer oder eine einheitliche Grösse sogenannter Add-Blue-Tanks für ein Harnstoffgemisch, mit dem der Ausstoss von Stickoxiden gesenkt werden soll.

Autokonzerne können sich rechtfertigen
Selbst wenn sich die Autohersteller etwa über Einkaufskonditionen ausgetauscht hätten, haben sie die Möglichkeit, diese zu rechtfertigen. Eine Effizienz steigernde Rechtfertigung liegt beispielsweise vor, wenn die Autokonzerne gegenüber Lieferanten für einzelne Bauteile ihre Nachfrage bündeln. Damit können die Lieferanten, die zum Zug kommen, dieses Bauteil in grösserer Stückzahl produzieren und günstiger verkaufen. Das senkt die Kosten der Autohersteller. Volkswirtschaftlich wäre das erwünscht.

Ein Verstoss gegen das Kartellrecht würde erst vorliegen, wenn die Wettbewerbsbehörden die Rechtfertigungsgründe der Autokonzerne nicht akzeptieren. Erst dann könnten die Weko oder die europäische Wettbewerbsbehörde Bussen verhängen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, wenn sich Patrik Ducrey von der Weko bedeckt hält, ob die Schweizer Wettbewerbsbehörde überhaupt ein Verfahren einleiten wird. Es erscheint ungewiss, ob ein solches kartellrechtliches Verfahren erfolgreich geführt werden könnte.

Ungewiss ist auch, ob Autokäufer in der Schweiz oder hiesige Zulieferer Schadensersatzforderungen geltend machen können. Aus Konsumentensicht kann es zwar sein, dass sich die Kartellabsprachen der Autokonzerne Preis erhöhend ausgewirkt haben. Es wird jedoch schwer nachzuweisen sein, ob die Konzerne nur ihre eigene Marge aufbessern oder den Preisvorteil nicht an die Kunden weitergeben wollten. In der Schweiz besteht zudem eine einjährige Verjährungsfrist für Schadenersatzforderungen, die für Konsumenten von Nachteil ist.

Ein weiterer Punkt sind allfällige Absprachen zu den Harnstofftanks. Sollten die Konzerne in Absprache die Tanks verkleinert und damit die Reinigung der Abgase verschlechtert haben, dann hätten sie ihre Kunden damit getäuscht. Das ist jedoch kein Fall für das Kartellrecht, sondern Betrug am Kunden und eine Verletzung der Umweltvorschriften. Solche Vergehen werden jedoch schon untersucht im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal. (awp/mc/ps)

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