Weko verschreibt der Swatch-Tochter ETA de facto ein Lieferverbot
Biel – Der Ärger bei der Swatch Gruppe ist gross: Die Wettbewerbskommission (Weko) hat gegen die Swatch-Tochter ETA de facto ein Lieferverbot für mechanische Uhrwerke ausgesprochen. Der Entscheid bringt der gesamten Branche Unsicherheit.
Ab 2020 darf die ETA ihren bisherigen Kunden – mit Ausnahme von KMU – vorläufig keine mechanischen Uhrwerke mehr liefern. Das verbietet die Weko. Der Entscheid dazu sickerte in der Nacht auf Donnerstag durch, nachdem die Swatch Group auf der eigenen Webseite in einer Stellungnahme ihrem Ärger darüber Luft gemacht hatte.
Noch ist das letzte Wort zum Lieferverdikt nicht gesprochen. Laut Weko gilt die nun getroffene Verfügung längstens bis Ende 2020. Dabei zeigte sich die Behörde zuversichtlich, dass noch bis im Sommer ein endgültiger Entscheid gefällt werden kann.
Begründet wird das Vorgehen folgendermassen: Würde die Weko bis zum Endentscheid zuwarten, könnte dem Wettbewerb «ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil» drohen. Zudem sei es der ETA aus zeitlichen Gründen faktisch ohnehin nicht möglich, Drittkunden ab dem 1. Januar 2020 zu beliefern.
Marktbeherrschende Stellung
Den Wettbewerbsbehörden ist dabei die marktbeherrschende Stellung, welche die ETA in den vergangenen Jahren in der Produktion mechanischer Uhrwerke eingenommen hat, ein Dorn im Auge. Um diese dominante Stellung zu brechen, wurde im Jahr 2013 eine bis Ende 2019 laufende Liefervereinbarung getroffen, in der die kontrollierte Reduktion der Liefermengen der ETA geregelt wurde.
Zu diesem Schritt hatte Swatch selbst angeregt. Denn bei Swatch ist man ebenfalls daran interessiert, dass es am Markt für mechanische Uhrwerke Platz für Konkurrenten gibt. Die Gruppe will sich nämlich dem bislang auferlegten Lieferzwang entledigen und frei entscheiden, wem man künftig wie viele Uhrwerke aus dem Hause ETA liefert.
Mit der Vereinbarung sollten Konkurrenten die Chance erhalten, sich am Markt zu entfalten. Das ist laut Swatch auch gelungen. Der Markt für mechanische Uhren habe sich seit 2013 grundlegend verändert, ETA sei nicht mehr marktführend, hiess es.
Den Rang abgelaufen hat der ETA die jurassische Uhrwerkproduktion Sellita. Schätzungen zufolge hat Sellita im laufenden Jahr rund eine Million mechanische Uhrwerke hergestellt und vertrieben. Das ist ungefähr das Doppelte von dem was ETA ausgeliefert hat. Detaillierte Zahlen dazu werden keine kommuniziert, weder von Sellita noch von Swatch.
Hayek unzufrieden
Bei der Swatch herrscht Unverständnis zum Entscheid und dem Vorgehen der Weko. Swatch-Chef Nick Hayek nimmt dazu deutliche Worte in den Mund: Der Entscheid der Weko sei «unverständlich und inakzeptabel». Zudem mische sich die Weko in die Wirtschaftspolitik ein, womit sie ihre Befugnisse überschreite und verletze.
«Die Weko hat geschlafen», sagte Hayek im Gespräch mit AWP. Swatch habe die Weko seit Mitte 2018 nicht weniger als sechsmal auf die drängende Zeit hingewiesen. Eine vorsorgliche Massnahme nur zwölf Tage vor dem Jahresende mitzuteilen sei aus industrieller Sicht «absurd».
Faktisch laufe es darauf hinaus, dass Swatch bis 2021 keine Uhrwerke ausliefern könne, sagte Hayek. Weder an Drittkunden, noch an KMUs. Denn die Vorlaufzeit für einen Auftrag liege bei neun bis zwölf Monaten und ETA habe 2019 angesichts der ungewissen Situation keine Bestellungen entgegengenommen. Swatch behält sich vor, finanzielle Schäden aus dem ETA-Fall geltend zu machen.
Weko-Direktor Patrik Ducrey lässt das von Swatch stipulierte «Verkaufsverbot» nicht gelten. An kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) dürfe die ETA nach wie vor mechanische Uhrwerke liefern, sagte dieser im Gespräch mit AWP. Vielmehr habe man in seinem Urteil die bestehende einvernehmliche Regelung mit Swatch um ein Jahr verlängert.
Sorgenfalten in der Branche
Sorge bereitet der späte Schritt der Weko allerdings auch dem Schweizerischen Uhrenverband (FH). Es drohe ein Mangel an Uhrwerken mit dem Label «Swiss Made», erklärte Verbandspräsident Jean-Daniel Pasche gegenüber AWP. Einige Marken und Zulieferer hätten beklagt, dass ohne ETA nicht genügend mechanische Uhrwerke auf dem Markt verfügbar seien.
Einige Kunden könnten in der Planung 2020/21 ernsthafte Probleme erhalten, befürchtet auch Analyst und Branchenexperte Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank. Der Weko-Entscheid sei für die Branche «sehr unglücklich». Und FH-Präsident Pasche sorgt sich davor, dass der ohnehin beunruhigende Trend mit rückläufigen Stückzahlen sich noch verschärfen könnte.
Am Donnerstag hat der Uhrenverband auch noch die Exportstatistik für den Monat November publiziert. In Franken gerechnet sank das Volumen um 3,5 Prozent auf 1,99 Milliarden Franken, was mit dem Rückgang im wichtigen Markt Hongkong zu tun hat. Wegen der politischen Unruhen verzichten viele Shopping-Touristen vor allem aus China auf eine Reise in die ehemalige britische Kolonie.
Nach elf Monaten resultiert in der Exportstatistik allerdings noch immer ein Plus von 2,0 Prozent auf 19,9 Milliarden Franken. Die exportierten Stückzahlen sind hingegen in derselben Periode um 13 Prozent zurückgegangen. Der Grund: Das Geschäft mit teureren Uhren läuft besser als jenes mit den günstigeren. (awp/mc/pg)