Mit der iranischen Involvierung in Russlands Invasion droht ein Funkenflug des Kriegsfeuers aus Osteuropa ins immer gut gefüllte Pulverfass Nahost. China und die USA sondieren weltweit, wer in einem Krieg auf wessen Seite stünde. Derweil steht die Schweiz inmitten einer zum Machtgebrauch gewillten Umwelt vor Regierungs- und Parlamentswahlen. Die Bundesversammlung im Dezember und wir als Wahlvolk im nächsten Herbst müssen Persönlichkeiten wählen, welche die Interessen unseres Landes gegenüber allen Mächten wahren.
Von Dr. Fritz Kälin
Krisen, Konflikte und Kriege können zu einem Weltkrieg kumulieren
Nordkorea soll im grossen Stil Munition nach Russland liefern. Wenigstens dieses Land rechnet offenbar nicht damit, seine Munition in nächster Zeit selbst zu benötigen… Gleiches könnte man über die iranischen Drohnen- und Raketenlieferungen nach Russland sagen. Dass es seit Teherans Waffenhilfe für Putin im Iran aber zu massiven Protesten kommt und im Oktober der hypersunnitische Islamische Staat in der schiitischen Theokratie einen Terroranschlag verübt, kann die iranische Führung nicht als eine Serie von Zufällen auffassen. Noch fehlt dem Mullah-Regime eine ‘nukleare Überlebensversicherung’, was aber kein vorsichtiges Verhalten verursachen muss.
Was Ostasien anbelangt, gibt es Beobachter, die hinter Chinas sturem Festhalten an der 0-Covid-Strategie einen Vorwand sehen, um die eigene Bevölkerung einem strikten Kontrollregime zu unterwerfen, bevor zum ‘grossen Sprung’ auf Taiwan angesetzt wird. China wirkt auch bestrebt, sich vor einem Krieg mindestens der Neutralität von Nachbarländern wie Vietnam zu versichern. Wie schon in Moskau scheinen auch in Peking nicht mehr Wirtschaftsinteressen handlungsanleitend zu sein. Xi Jinping und Putin stehen unter dem Eindruck, dass ihnen die Zeit für ihre Grossmachtambitionen davonläuft. Ihre Wirtschaftsmodelle, die auf Geschäften mit dem Westen beruhen, nähern sich dem sicheren Ende. Beide Länder gehen auf eine demographische Implosion zu – mit Ausnahme ihrer muslimischen Minderheiten. Derweil wächst die US-Unterstützung für die Ukraine und Taiwan mit jeder Woche. Die Weltpolitik ist eine heisse Küche mit vielen zerstrittenen Köchen und allen Zutaten für einen Weltkrieg.
Die Schweiz vor den Parlamentswahlen 2023
Während in immer mehr europäischen Staaten die indirekten Folgen des Ukrainekrieges zu unplanmässigen Neuwahlen und Regierungswechseln führen, signalisieren in der Schweiz ein Jahr vor dem Wahljahr die Umfragen noch immer viel Kontinuität. Allerdings hat Europas gefährlichster Winter seit 1945 noch nicht einmal begonnen. Die Schweiz ist keine Insel. Sie liegt aber höher über den steigenden Krisen-Flutpegeln unserer Zeit als die meisten Nationen, dank ihrer direktdemokratischen Institutionen, bewaffneten Neutralität, eigenen Währung, Geschichte und geographischen Lage.
Diese Aufzählung unserer Vorteile ist spontan, aber bewusst gewählt. Unsere selbstgewählte politische Ordnung ist unser grösster Trumpf und das, was sich gegen jede Bedrohung zu verteidigen lohnt. Was ist also mit denjenigen, die meinen, sie müssten im Land mit den grössten politischen Mitspracherechten auf ihre Sorgen und Anliegen mit illegalen und Leben gefährdenden Aktionen aufmerksam machen? Klare Antwort: Sie verdienen nicht die Aufmerksamkeit von Politik, Medien und Öffentlichkeit, sondern die des Staatsschutzes. Es hat genügend Menschen in diesem Land, die auf die Gefahren einer raschen Klimaveränderung mit demokratischen Mitteln hinweisen. Wenig politisches Gehör fanden dafür diejenigen, die seit 2014 (Russlands erstem Krieg gegen die Ukraine) oder sogar seit 2008 (globale Finanzkrise und Georgienkrieg) warnen, dass die Uhr für einen zehnjährigen «Aufwuchs» unserer militärischen und nichtmilitärischen Landesverteidigung zu ticken begonnen hat.
Ein Plädoyer für möglichst unspektakuläre Bundesratswahlen im Dezember 2022
Da trifft es sich gut, dass im Dezember je ein Bundesratssitz der beiden derzeit wählerstärksten Parteien, SVP und SP, neu besetzt werden muss. Je reibungsloser die Wahlen und die Rochade bei den Departementen abläuft, desto besser. Innenpolitisch stabile Länder sind unabhängig von ihrer «Grösse» kein lohnendes Ziel für machtpolitische Einmischungsversuche von aussen. Die neuen und wiedergewählten Bundesratsratsmitglieder müssen dem In- und Ausland klar machen, dass wer immer die Schweiz erpresst, nicht ihr Freund sein kann. Dieses Land steht nicht als Spielball fremder Mächte zur Verfügung. Besser, wenn «befreundete» Länder die Schweiz für das Einhalten ihrer völkerrechtlichen Neutralitätspflichten öffentlich kritisieren, als wenn unsere Landesregierung zu Diktaturen «wallfahrten» geht, wie derzeit der deutsche Bundeskanzler in China…
Was, wenn die SP Schweiz erstmals das Militärdepartement übernehmen müsste?
Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem neuesten SP-Mitglied im Bundesrat ‘nur’ das VBS übrigbleibt. Niemanden dürfte diese Vorstellung mehr Mühe bereiten als der dezidiert linken Parteileitung. Für die SP als Bundesratspartei, inzwischen vom Mühlstein einer erneuten Armeeabschaffungsinitiative befreit, wäre das durchaus eine Chance. Sie könnte an ihre staatstragende Rolle während der schwersten Jahre des 20. Jahrhunderts anzknüpfen. Ein historisches SP-Merkmal, bei dem keine Verwechslungsgefahr mit der linksgrünen Konkurrenz besteht. Voraussetzung ist, dass die SP-Fraktion der Bundesversammlung nur Persönlichkeiten vorschlägt, die sich den Verfassungsaufträgen unserer Armee und ihrem Milizcharakter nachweislich verpflichtet fühlen. Denn für unsere rein defensive Milizarmee gilt seit jeher, was sich die SP für die Wahlen 2023 auf ihre Fahnen schreibt: «Für alle statt für wenige».
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