Zug – Dirk Hoffmann mag Menschen. Für den Chef von V-Zug ist dies eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Führungsarbeit. An welchen Leadership-Prinzipien er sich sonst noch orientiert und wie er den Schweizer Hersteller von Haushaltsgeräten in die Digitalisierung führen will, erzählt er im Interview mit Nicole Heimann.
Er ist keiner, der mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt kam. Als Sohn eines Maurermeisters und einer Hausfrau habe er früh gelernt, dass man sich alles verdienen muss und jede Münze nur einmal ausgeben kann, erzählt Dirk Hoffmann. Diese Erfahrung hat den gebürtigen Deutschen nachhaltig geprägt. Eine konkrete Vorstellung seiner beruflichen Zukunft habe er dagegen nie gehabt. Mal wollte der begeisterte Musiker DJ werden, dann wieder Pilot. Ein Unternehmen zu leiten, stand nie auf seiner Wunschliste. «Ich wundere mich noch heute, dass ich CEO geworden bin», gibt Hoffmann zu.
Nach dem Studium an der Universität der Bundeswehr in München zog es den diplomierten Elektroingenieur in die weite Welt. Auf fast jedem Kontinent habe er gelebt und gearbeitet, so Hoffmann, der sich selbst als gewählten Weltbürger bezeichnet. Ermöglicht habe dies nicht zuletzt seine Frau. Sie habe ihn immer begleitet und unterstützt, erzählt er nicht ohne Stolz auf seine mehr als 30-jährige, glückliche Ehe.
«Nachhaltigkeit muss zu ökonomischem Erfolg führen»
Nach verschiedenen Führungspositionen bei Bosch und Siemens setzte Hoffmann 2013 seine Karriere als CEO V-Zug und Mitglied der Konzernleitung der Metall Zug AG fort. Das familiengeführte Unternehmen beschäftigt an zwei Schweizer Fabrikstandorten und in internationalen Vertriebsgesellschaften weltweit mehr als 2’100 Mitarbeitende und macht einen Umsatz von rund 600 Millionen Franken.
Es war der Inhaber persönlich, der Hoffmann seinerzeit zu V-Zug holte und mit seinen Plänen begeisterte: Das Unternehmen sollte am Standort Schweiz gestärkt und auf diesem Weg international erfolgreich werden. Das war nachhaltig und kam bei Hoffmann an. «Ich bin ein Mensch, der durch Nachhaltigkeit geprägt ist», so der 57-jährige. Nachhaltigkeit müsse aber zu ökonomischem Erfolg führen. Erst dann könne man sich Ökologie leisten. Auf V-Zug gemünzt erklärt Hoffmann: «Wir wollen die effizientesten Geräte der Welt bauen und dabei so wenig Ressourcen wie möglich verbrauchen.» Am Standort Schweiz wolle man eine CO2-freie Produktion aufbauen. «Das sind Visionen, die mich entflammt haben.»
«Wer glaubt, dass er schon alles kann, ist fehl am Platz»
Sicherlich war Hoffmann mit seiner internationalen Branchenerfahrung gut auf den CEO-Posten vorbereitet. Allerdings: Er kannte alles besser als den Schweizer Markt. Auch habe es natürlich immer wieder Überraschungen oder Herausforderungen gegeben. Grundsätzlich sei aber das ganze Leben ein Lernprozess: «Wer glaubt, dass er fertig ist und schon alles kann, ist fehl am Platz», so Hoffmans feste Überzeugung.
Unternehmenskultur als Motivator
Ein besonders einschneidendes Ereignis sei die Aufhebung der Währungsgrenzen 2015 gewesen. Im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern habe V-Zug nicht die Preise gesenkt. «Wir entschieden uns stattdessen, besser und schneller als alle anderen zu sein», erinnert sich Hoffmann an diese bewegte Phase. Man habe von der Belegschaft 10% mehr Arbeit bei gleichem Lohn gefordert. Ausserdem: Kein Urlaub, kein Bonus. Die Mitarbeitenden stimmten zu.
«Am Schluss war das eine Erfolgsstory. Wir wurden schneller und wettbewerbsfähiger.» Schon nach einem halben Jahr konnte man zurückzahlen. Das Spezielle aber: Nach Rücksprache mit den Führungskräften erhielt jeder – egal ob Reinigungskraft oder Chefverkäufer – den identischen Anteil des zusätzlich erwirtschafteten Betrags. «Jeder ging mit dem gleichen Scheck nach Hause. Das war für mich der ultimative Beweis: Hier bist Du bei den Richtigen.»
«Am Schluss ist es eine Vertrauensfrage»
Das Erlebnis habe Hoffmann auch gelehrt, wie wichtig es ist, miteinander zu reden. «Man kann Führen durch Anordnen. Führen durch Überzeugen, Vormachen, Mitmachen ist viel besser, als einfach nur einen Tagesbefehl auszugeben», glaubt Hofmann. Am Schluss sei es vor allem eine Vertrauensfrage. «Man muss den Menschen eine Gelegenheit geben, an einer Herausforderung zu wachsen.»
«Drei Dimensionen guter Führung»
Dirk Hoffmann orientiert sich bei seiner Arbeit als CEO an den «drei Dimensionen guter Führung. Erstens: Handle, als wäre es dein eigenes Geld, dein eigenes Unternehmen. Zweitens: Denke immer als Kunde. Überzeugt dich das nur, sondern begeistert es dich auch? Und drittens: Bleib menschlich und behandle andere, wie du selbst behandelt werden willst. Sei dir der Kraft deiner Worte bewusst.»
Verstand und Herz gehen bei Hoffmann also Hand in Hand. Ob er im Unternehmen Spuren hinterlassen werde? Der CEO geht davon aus. Schliesslich sei er «kein Verwalter, sondern ein Gestalter». Natürlich hoffe er, dass es viele Mitarbeitende geben werde, die seine Veränderungen rückblickend für wichtig und richtig halten werden. Er wisse aber ebenso, dass es einigen noch zu langsam, anderen wiederum zu schnell gehen mag.
«Der mit der Digitalisierung»
So oder so ist sich Hoffmann sicher: «Wandel war und ist das Erfolgsrezept dieser Unternehmung.» V-Zug war eine Verzinkerei, eine Metallwarenfabrik, ein Wäschepflegeunternehmen und stellt heute zu 70% Kochgeräte her. «Wir sind Schweizer Marktführer und zugleich international erfolgreich. Und wir sind morgen ein digitaleres Unternehmen, garantiert!» Dies, weil die Digitalisierung es V-Zug ermöglichen werde, ganzheitliche Lösungen anzubieten. «Ich hoffe also, dass die Mitarbeitenden sich später an mich als ‘der mit der Digitalisierung’ erinnern werden», sagt Hoffmann.
«Ich liebe Menschen»
Bei der Frage nach der persönlichen Befriedigung seiner Führungsrolle muss Hoffmann nicht lange überlegen. «Als Führungskraft müssen Sie Menschen mögen. Ich liebe Menschen.» Der CEO schöpft innere Genugtuung daraus, Menschen zu helfen, sie in Lohn und Brot zu halten und sie wachsen zu sehen. Er vergleicht sich gerne mit einem Paten. «Ich möchte dafür sorgen, dass das Unternehmen in guten Händen ist und dass die Mitarbeitenden für sich selbst sorgen können, wenn ich einmal gehe.»
Damit dies gelänge, müsse man Mitarbeitende allerdings nicht nur fördern, sondern auch fordern. «Ich bin nicht nur da, um Erfolge zu teilen. Ich muss ebenso vor Misserfolgen schützen und gegen Widerstände kämpfen», beschreibt Hoffmann sein Selbstverständnis als Leader. Dies funktioniere am ehesten, indem er als Vorbild vorangehe. «Ich verlange nichts, das ich nicht selber bereit bin zu tun.» Dies insbesondere, wenn es um das persönliche Engagement gehe. Ausserdem versuche er, die Mitarbeitenden dazu zu bewegen, sich auszutauschen. «Ich belebe Ökosysteme», beschreibt Hoffmann diesen kommunikativen Teil seiner Arbeit.
Die Zukunft ist spannend – aber auch unbekannt
Wie jedes Unternehmen muss sich auch V-Zug für die Zukunft wappnen. Es sind aber vor allem die nächsten fünf Jahre, die Hoffmann derzeit tagtäglich beschäftigen. Die Grundfläche werde mehr als halbiert, die Produktionsfläche um 30% reduziert und die Produktionskapazität gleichzeitig verdoppelt. «Dies gelingt nur, indem wir gleichzeitig digitalisieren und Menschen durch Informationsflüsse verbinden», so Hoffmann, dem man die Vorfreude auf die kommende Zeit anmerkt.
Das Spannendste dabei sei, die Mitarbeitenden auf dem Weg in diese neue Ära zu begleiten. Keiner wisse natürlich genau, wie sich Prozessveränderungen auswirken würden. «Sie haben einen anderen Job, ich habe einen anderen Job.» Und er ergänzt etwas nachdenklich: «Wer weiss, ob ich überhaupt noch einen Job haben werde…» Eine Sorge, die man nach diesem Interview allerdings kaum teilen muss.
«Why Lead» (Warum Führen) ist Teil einer Porträtserie von Nicole Heimann. Sie sammelt darin wichtige Erkenntnisse inspirierender Führungskräfte aus der ganzen Welt und verknüpft so auf anschauliche Weise die Theorie mit der Praxis. Die vollständige Porträtsammlung wird in einem demnächst erscheinenden Buch mit dem Titel «Why Lead» veröffentlicht. |