Wie kann der Schweizer Werkplatz langfristig wettbewerbsfähig bleiben?

Wie kann der Schweizer Werkplatz langfristig wettbewerbsfähig bleiben?
(Foto: Swissmem)

Deloitte und BAKBASEL untersuchten aktuelle Herausforderungen und Wachstumsmöglichkeiten für Schweizer MEM-Unternehmen. (Foto: Swissmem)

Zürich – Der Schweizer Werkplatz bewegt sich zurzeit seitwärts. Gemäss einer Befragung unter 393 MEM-Unternehmen1 schätzt eine grosse Mehrheit von 89% die Aussichten für ihre Industrie als negativ ein. Im Zentrum der Risikobetrachtung stehen weiterhin der starke Franken und die volatile Wirtschaftsentwicklung in den Absatzmärkten. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben Schweizer MEM-Unternehmen in den letzten Monaten diverse, eher kurzfristig angelegte Massnahmen getroffen. Will der Schweizer Werkplatz allerdings auch in der langen Frist international wettbewerbsfähig bleiben, sollten die MEM-Unternehmen konsequent Wachstumsstrategien verfolgen. Deloitte und BAKBASEL haben deren sechs definiert.  

In Zusammenarbeit mit der Swissmem haben Deloitte und BAKBASEL knapp 400 Schweizer MEM-Unternehmen zu ihren aktuellen Herausforderungen und Wachstumschancen befragt. Praktisch alle (89%) der Unternehmen beurteilen die Aussichten für den Werkplatz in den nächsten zwölf Monaten negativ.

Dr. Ralf C. Schlaepfer, Leiter Manufacturing bei Deloitte in der Schweiz, zu den aktuellen Risikofaktoren der MEM-Industrie: „Die stabile Periode zwischen der Einführung der Euro-Franken-Untergrenze im September 2011 bis zu deren Aufhebung im Januar 2015 hat vielen MEM-Unternehmen Luft verschafft und zwischenzeitlich Arbeitsplätze auf dem Schweizer Werkplatz gesichert. Die Frankenstärke sowie das volatile globale Wirtschaftsumfeld zwingen dieses Jahr viele MEM-Unternehmen zu weiteren betrieblichen Anpassungen, um so Margeneinbussen aufzufangen. Auf Umsatzseite müssen langfristig neue und deutlich erweiterte strategische Massnahmen getroffen werden.“

Massnahmen gegen die Frankenstärke und darüber hinaus
Seit Januar 2015 haben Schweizer MEM-Unternehmen verschiedene operative Vorkehrungen getroffen, um der andauernden Frankenstärke sowie anderen Risiken zu begegnen. Das Sourcing im Ausland (77%) gewinnt stark an Bedeutung, und auch  Effizienzsteigerungen, rigoroses Produktkostenmanagement (beide 70%) sowie Preissenkungen (69%) erweisen sich als bedeutende Massnahmen.

„Massnahmen wie Preissenkungen sind kurzfristig erfolgreich, um konkurrenzfähig zu bleiben, doch auf Dauer reduzieren sie die Margen und gefährden die Investitionsfähigkeit. Langfristig ist eine ausgewogene Strategie für Innovation zu finden. Erfolgreiche Unternehmen forcieren in schwierigen Zeiten die langfristige Veränderung des Unternehmens und sichern somit künftiges Potential“, so Ralf Schlaepfer.

Was die angedachten/geplanten Massnahmen angeht, dominiert an erster Stelle die Verlagerung in den Euroraum von gesamten oder einzelnen Wertschöpfungsschritten (24%). Zusammen mit den 22% von MEM-Unternehmen, die diese Massnahme seit Anfang des Jahres bereits umgesetzt haben, ist dies ein beachtlicher Verlagerungstrend im Zeichen der Frankenstärke. Hinzu kommt, dass sich als zweitwichtigste geplante Massnahmen die Investition in und der Aufbau neuer Geschäfte im Ausland erweist (22%).

Michael Grass, Geschäftsleitung und Bereichsleitung Branchen, BAKBASEL, kommt zum Schluss: „Die gesamte Industrie bewegt sich zurzeit seitwärts. Jedoch sind die Rahmenbedingungen im Hinblick auf die mittlere und längerfristige Entwicklung in der kommenden Dekade günstiger. Die Chancen für den Schweizer Werkplatz sind also intakt. Um allerdings auch langfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Schweizer Industrieunternehmen die richtigen langfristigen Wachstumsstrategien verfolgen.“

Nachhaltig wachsen und wettbewerbsfähig bleiben
Basierend auf den Umfrageergebnissen, Expertengesprächen und ökonomischen Analysen haben Deloitte und BAKBASEL sechs Wachstumsstrategien identifiziert, mit denen Schweizer Industrieunternehmen im aktuellen Umfeld nachhaltig weiter wachsen können:

  1. Kundeneinbindung vorantreiben: Die Ausschöpfung bestehender Kunden bleibt zentral, wobei Neukundengewinnung über Individualisierung immer wichtiger wird. Ein Drittel der Befragten (67%) wollen mit ihren bestehenden Kunden in den nächsten drei Jahren wachsen. 83% wollen die Neukundengewinnung intensivieren. 63% sehen in der Kundeneinbindung über Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen eine neue Wachstumschance.
  2. Global gehen: Das Wachstumspotenzial in den Stammmärkten der Schweizer MEM-Industrie – allen voran Deutschland, USA und China – ist weiterhin gegeben. Jedoch denken über die Hälfte der Befragten (57%), dass die Expansion in neue geografische Märkte stark zu ihrem Wachstum beitragen wird.
  3. Neue Dienstleistungen entwickeln – Knapp die Hälfte der Befragten (47%) gibt die Weiterentwicklung des Dienstleistungsgeschäfts als wichtige Wachstumsstrategie an. Das Bündeln höhermargiger Dienstleistungen mit Industrieprodukten und/oder die Einführung neuer, exklusiver Dienstleistungen sind ein Wettbewerbsvorteil. Grosses Potential haben Industrie 4.0 Lösungen.
  4. Über das Produkt hinaus innovieren: Knapp die Hälfte (45%) der Befragten denkt, dass die Entwicklung neuer Wertangebote stark zu ihrem Wachstum beitragen wird. Produkt- und Prozessinnovation stehen an erster Stelle. Jedoch hat sich der Innovationsfokus noch nicht in Richtung Industrie 4.0 und exponentielle Technologien verschoben.
  5. Anorganisch wachsen: Ein Viertel der Befragten (24%) sieht das Wachstum mittels Fusionen und Übernahmen zukünftig als wichtig an; weitere 40% setzten auf Allianzen und Partnerschaften. M&A-Aktivitäten dienen vor allem verpasste Innovation aufzuholen und in angrenzenden Geschäftsbereichen zu wachsen.
  6. Operative Exzellenz nutzen: Die Optimierung von betrieblichen Prozessen erweist sich in einem schwierigen Wirtschaftsumfeld, in dem es sehr teuer ist, lokal in der Schweiz zu produzieren, als unabdingbare Notwendigkeit, um weiteres Wachstum zu ermöglichen.

(Deloitte/mc/ps)

Über die Studie «Wachstumschancen – Strategien für Schweizer Industrieunternehmen»
Die gemeinsame Studie von Deloitte und BAKBASEL erörtert die Wachstumsmöglichkeiten und Strategien von Schweizer Industrieunternehmen. Im Sommer 2015 haben Deloitte und BAKBASEL  mit Hilfe der Swissmem 393 Unternehmen der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie   zu ihren Wachstumschancen befragt. Anschliessend wurden die Umfrageresultate in persönlichen Interviews mit Vertretern aus der MEM-Industrie und Behörden vertieft sowie Wachstumsmöglichkeiten auf makro- und mikroökonomischer Ebene analysiert. Die daraus abgeleiteten Strategien sind Antworten auf verschärfte ökonomische Rahmenbedingungen und den globalen Wettbewerb, den Schweizer MEM-Unternehmen zurzeit gegenüberstehen, und dienen als Ausgangspunkte für die Zukunftsgestaltung.
Die diesjährige Studie ist eine Fortsetzung der Deloitte Studien Weissbuch Werkplatz Schweiz (2012), Innovation – Neu erfunden (2013) und Werkplatz 4.0 (2014).
Die vollständige Studie Wachstumschancen – Strategien für Schweizer Industrieunternehmen finden Sie auf unserer Webseite.

Über Deloitte in der Schweiz
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Über BAKBASEL
BAK Basel Economics AG (BAKBASEL) ist ein unabhängiges Schweizer Forschungsinstitut, das volkswirtschaftliche Analysen und Prognosen erstellt und die Erkenntnisse daraus für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar macht und damit zum „Evidence Based Decision Making“ beiträgt. Im Fokus stehen gesamtwirtschaftliche sowie branchen- und regionenspezifische Fragestellungen auf empirischer und quantitativer Basis. BAKBASEL wurde 1980 als Basler Arbeitsgemeinschaft für Konjunkturforschung (BAK) gegründet und beschäftigt heute rund 30 Mitarbeitende in Basel.

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